Das Wichtigste in Kürze
- Seit 100 Tagen ist Philipp Rebord Chef der Schweizer Armee. Vor den Medien hat er heute eine erste Bilanz gezogen.
- Da war die Rede von neuen Kampfjets, die die Schweiz brauche und von der Artillerie, die dereinst erneuert werden muss.
- Zum Thema gemacht hat der neue Armeechef aber auch den Cyberspace: Die Armee denkt sogar darüber nach, einen Gegner angreifen zu können.
- In Wahrheit aber steckt die Schweizer Cyberabwehr noch in den Kinderschuhen.
Gerade einmal 25 Spezialisten kümmern sich heute bei der Schweizer Armee um die Cyberabwehr. Sie schützen Informatik, Netzwerke und sensible Daten der Armee vor Hackerangriffen. Im Nachrichtendienst arbeiten weitere 17 Spezialisten. Insgesamt sind das bloss 42 Personen. Die Schweiz hat keine Cyber-Truppe, sondern höchstens ein Cyber-Trüppchen.
Es werde einen Ausbau geben, kündigt Armee-Chef Philippe Rebord an: «Der Bundesrat beabsichtigt, diese Zahl bis 2020 zu verdreifachen.» Bei Bedarf solle der Stab an Profis künftig durch Milizionäre ergänzt werden können, so Rebord.
Spezialisten rekrutieren, eine Cybertruppe aufbauen: Auch Rebords Chef, Verteidigungsminister Guy Parmelin, forciert das Thema. Vor einigen Tagen skizzierte er am Rande einer Medienkonferenz ein Modell für die künftige Rekrutierung. Die Armee solle sich Know-how von jungen Spezialisten frühzeitig sichern:
Das Modell könnte dem israelischen ähneln: Junge Programmiertalente erhalten die Möglichkeit zu studieren. Später stossen sie zur Armee, um ihre Kompetenzen auch dort einzubringen.
Der Verteidigungsminister steht in Kontakt mit der ETH Zürich. Dort heisst es, man sei noch ganz am Anfang der Überlegungen.
Doch was soll eine künftige Schweizer Cyber-Truppe machen dürfen? Armeechef Rebord stellt heute die Frage in den Raum, ob die Armee im Falle von Cyberangriffen auch Gegenoffensiven lancieren solle: Cyberoffensivaktionen – der neutralen Schweiz? «Wir haben das technologische Know-how. Aber wir können es nicht tun, weil wir nicht über die rechtlichen Grundlagen verfügen.» Die Neutralität der Schweiz sei zu berücksichtigen, so der Bundesrat: «Wie weit die Politik gehen will, weiss ich nicht.»
Politik debattiert erst noch über Cyberstrategie
Die politischen Vorgaben fehlen. Parlamentarier von links bis rechts kritisieren das seit Monaten, so zum Beispiel FDP-Ständerat und Sicherheitspolitiker Joachim Eder: «Man müsste hier mehr koordinieren, das ist das Hauptproblem für mich. Das habe ich bei der Lektüre des sicherheitspolitischen Berichts gemerkt.»
Die geltende Cyberabwehr-Strategie des Bundes ist fünf Jahre alt. Sinngemäss sagt sie: Jeder ist für seine eigene Cybersicherheit zuständig: Jede Privatfirma, jede AKW-Betreiberin, jedes Bundesdepartement.
Auch die Armee ist heute alleine für den Schutz ihrer eigenen Informatik zuständig. Im März bereit fragte Ständerat Eder den Bundesrat, ob nicht das Verteidigungsdepartement mehr Aufgaben in der Schweizer Cyberabwehr übernehmen solle – und ob die Armee künftig auch Offensivaktionen lancieren solle.
Noch hat der Bundesrat den Vorstoss nicht beantwortet. FDP-Ständerat Eder ist aber offen für die Option, die Armee auch angreifen zu lassen im Cyberspace:
Ich habe das Gefühl, dass man sich nicht alleine damit begnügen kann, Cyberaktivitäten nur defensiv in den Griff zu bekommen.
Eine fundierte Diskussion in der Sicherheitspolitischen Kommission des Parlaments habe es aber noch nicht gegeben in dieser heiklen Frage. Der Bundesrat hat für dieses Jahr einen Cyber-Aktionsplan angekündigt. Er wird sich also positionieren müssen. Doch noch herrscht Funkstille.