Basel-Stadt war ein Pionierkanton beim integrativen Schulunterricht. Doch nun haben viele Lehrerinnen und Lehrer genug und wollen zurück zum alten System mit den Förderklassen – zumindest teilweise. Verhaltensauffällige Kinder sollen künftig wieder in gesonderten Klassen unterrichtet werden können. Dies verlangt der Berufsverband der Basler Lehrerinnen und Lehrer, die Freiwillige Schulsynode Basel-Stadt (FSS). Erreichen will die FSS das Ziel mit einer Volksinitiative, die vor ein paar Tagen lanciert wurde.
Bemerkenswert: Die Wiedereinführung der Förderklassen würde auch von Lehrpersonen befürwortet, die bislang klar hinter dem System der integrativen Schule gestanden sind, sagt Marianne Schwegler, Vizepräsidentin der FSS.
Zu anstrengend
Grund für den Sinneswandel der Lehrpersonen sei die permanent hohe Belastung, die von verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schüler ausgeht. Diese wirke sich auf ganze Klasse aus, vor allem auch auf die betroffene Lehrperson aus: «Immer mehr Lehrpersonen kommen an ihre Grenzen. Das macht uns Sorgen und wir sind überzeugt, dass wenn man jetzt nicht handelt, dies negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer hat.»
Wir sind überzeugt, dass wenn man jetzt nicht handelt, dies negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer hat.
70 Prozent der Lehrpersonen hätten sich in einer Umfrage der FSS für einen Ausbau des separativen Unterrichts ausgesprochen, dass also Schüler, die den Unterricht wiederholt stören, in Sonderklassen unterrichtet werden sollen.
Die Situation habe sich in den letzten Jahren zugespitzt, sagt Schwegler. Mittlerweile gäbe es zum Teil drei oder vier Kinder in einer Klasse mit starken Verhaltensauffälligkeiten oder mit Lernschwierigkeiten. Wenn ein Klassenverband nicht richtig mehr funktioniere, weil einzelne Kinder zu viel Aufmerksamkeit beanspruchten, kämen die leistungsstarken damit vielleicht noch zurecht, sagt Schwegler. Sie sorgt sich jedoch um diejenigen Schülerinnen und in der Mitte, zwischen diesen beiden Gruppen. «Dadurch, dass sich die Lehrperson auf einzelne wenige konzentrieren müssen, gehen andere unter und verpassen den Anschluss.»
Behörden wollen am heutigen Modell festhalten
Basel-Stadt hat das Modell der integrativen Schule in den letzten Jahren vorangetrieben wie kein anderer Kanton. Vor 15 Jahren besuchten noch rund acht Prozent der Basler Kinder eine Förderklasse oder Sonderschule. Heute sind es nur noch zwei Prozent, also viermal weniger.
Grundsätzlich wollen wir am bisherigen Modell festhalten. Das Ziel bleibt die Integration.
Urs Bucher, Leiter Volksschule im Kanton Basel-Stadt, stellt auch fest, dass heute bei mehr Kindern als noch vor wenigen Jahren Verhaltensauffälligkeiten diagnostiziert werden. Bucher betont aber gleichzeitig, dass es in Basel nach wie vor auch separative Angebote gibt. Man wolle – trotz Herausforderungen – am bisherigen System festhalten.
Im Grossen und Ganzen funktionieren die integrative Schule gut, hält Bucher fest. Nimmt das Basler Erziehungsdepartement die Sorgen der Lehrerschaft zu wenig Ernst? «Das heutige Modell ist sicher eine Herausforderung», sagt Bucher; eine Herausforderung, auf die man sich einlassen müsse. «Es ist matchentscheidend, welche Haltung wir von der Behörde vorlegen, welche die Schulleitungen zeigen und wie an dieser Haltung gearbeitet wird in einem Kollegium.» Integration könne nur gelingen, wenn die Haltung entsprechend ausgeprägt ist.
Wie das Erziehungsdepartement konkret zur Förderklassen-Initiative steht, darauf möchte Bucher im Moment nicht eingehen. Der demokratische Prozess sei eben erst angestossen worden.