In Syrien wird er «Schlächter von Hama» genannt: Rifaat al-Assad. Der 86-Jährige ist ein Onkel des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und der jüngere Bruder des früheren Langzeitdiktators Hafiz al-Assad. Rifaat war dessen rechte Hand, zeitweilig auch Verteidigungsminister und Vizepräsident.
Das Massaker von Hama
Rifaat al-Assad soll 1982 einen Aufstand der Muslimbrüder in der syrischen Stadt Hama blutig niedergeschlagen haben. Mit 25'000 bis 30'000 Getöteten gilt Hama als grösstes Massaker der modernen arabischen Geschichte. Die Armee hatte das damalige Zentrum der Muslimbrüder wahllos mit Granaten beschossen.
Als Rifaat al-Assad 2013 in einem Schweizer Hotel logierte, erstattete die Genfer NGO «Trial International» Anzeige. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kriegsverbrecher gestützt auf das Weltrechtsprinzip in anderen Ländern vor Gericht zu bringen, damit Völkermorde, Folter und andere Gräueltaten nicht straflos bleiben. Das ist möglich, wenn sich Täter im Land aufhalten.
Schweiz stellt internationalen Haftbefehl
Tatsächlich eröffnete die Bundesanwaltschaft damals ein Verfahren, doch Assads Onkel setzte sich nach Syrien ab. Nun wurde durch ein Gerichtsurteil publik, dass die Schweiz einen internationalen Haftbefehl für die Auslieferung von Assads Onkel gestellt hat.
Das Bundesstrafgericht verpflichtete die Schweizer Behörden bereits vor einem Jahr dazu. Es reiche aus, dass Rifaat al-Assad in der Schweiz war, als das Strafverfahren eröffnet wurde, so das Gericht. Das inzwischen rechtskräftige Urteil blieb bis jetzt geheim, damit al-Assad nicht vorgewarnt ist.
Experte: Zuerst muss man ihn haben
Rechtsprofessor Gerhard Fiolka von der Universität Freiburg dämpft allzu grosse Hoffnungen. Denn es sei äusserst unwahrscheinlich, dass Syrien den Onkel des Präsidenten an die Schweiz ausliefere.
Das sogenannte Weltrechtsprinzip werde vor allem von NGO vorangetrieben und dabei teilweise überschätzt und ideologisch überhöht, betont Fiolka: «Die Führung von Strafverfahren gegen irgendwelche Tatverdächtigen irgendwo auf der Welt wird zu keinen Erfolgen führen, wenn diese Personen nicht greifbar sind.»
NGO kritisiert das Timing
Die Frage der Greifbarkeit beschäftigt auch «Trial International». Die NGO freut sich zwar, dass die Schweiz die Auslieferung des mutmasslichen Kriegsverbrechers beantragt hat, bedauert aber das Timing.
Denn Rifaat al-Assad war in Frankreich wegen Gelddelikten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, konnte das Land aber verlassen und nach Syrien zurückkehren. Entsprechend wundert sich die Genfer NGO, dass die Bundesanwaltschaft den internationalen Haftbefehl erst ein paar Wochen später gestellt hat.
«Trial International» erwartet nun von der Bundesanwaltschaft, dass sie bald Anklage erhebt, damit ein Verfahren stattfinden kann. Und zwar unabhängig davon, ob Rifaat al-Assad teilnimmt oder nicht. Die Zeit dränge auch deshalb, weil Rifaat al-Assad demnächst 86 Jahre alt werde, betont die Organisation.