Die Digitalisierung schafft ideale Bedingungen für Kriminelle. Vergangenes Jahr wurden mehrere prominente Unternehmen gehackt und erpresst. Auch Privatpersonen werden im Internet zu Opfern, etwa wenn Kriminelle mit gefälschten Emails an ihre Kreditkartendaten gelangen und damit Zahlungen tätigen – Phishing – und vieles mehr.
Warum ist das Internet ein Eldorado für Kriminelle?
Wer eine Bank ausrauben will, muss vor Ort gehen und riskiert, erkannt und verhaftet zu werden. Das Internet hingegen bietet die Möglichkeit, von überall her – auch aus dem Ausland – eine Vielzahl von Menschen und Einrichtungen zu schädigen. Im Internet kann man die eigene Identität relativ einfach verschleiern und anonym auftreten. Viele Menschen fassen im digitalen Raum offenbar schneller Vertrauen. Auf der Täterseite hingegen baut die räumliche Distanz Hemmungen ab. Eine soziale Kontrolle, die im echten Leben vielleicht von einem Banküberfall abhält, fehlt in der virtuellen Welt weitgehend. Und schliesslich erleichtern es verschiedene Kryptowährungen, unentdeckt Zahlungen zu tätigen.
Warum ist das Schweizer Rechtssystem im Hintertreffen?
Die Strafverfolgung ist an Landesgrenzen gebunden. In der Schweiz sogar an die Kantonsgrenzen. Gemäss Schweizer Recht sind die Strafverfolgungsbehörden jenes Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Andere Polizeien dürfen erst informiert werden, wenn offiziell eine Untersuchung eröffnet worden ist. Internetdelikte sind aber häufig Massendelikte. Das heisst, dass eine Täterschaft viele Menschen und Institutionen in unterschiedlichen Kantonen schädigt. Bis geklärt ist, welche Behörde sich um den Fall kümmert, geht wertvolle Zeit verloren. Gerade bei Cyberdelikten wäre es aber wichtig, möglichst schnell zu reagieren.
Was wird gegen das Problem getan?
Bund und Kantone sind sich des Problems bewusst. Die Polizeien haben sich zu einem «Netzwerk digitaler Ermittlungsunterstützung Internetkriminalität (NEDIK)» zusammengeschlossen. Ziel ist es, die Polizeibehörden an einen Tisch zu bringen und Ermittlungen zu koordinieren – auch international. Zudem befindet sich eine polizeiliche Abfrageplattform (POLAP) im Aufbau, die erforderlichen Gesetzesanpassungen sind am Laufen.
Was braucht es zusätzlich?
Das wohl grösste Problem ist, dass es für einen automatisierten schweizweiten Datenaustausch noch keine gesetzliche Grundlage gibt. Laut Serdar Günal Rütsche, Leiter NEDIK und Chef Cybercrime der Zürcher Kantonspolizei, brauchen die Ermittler dringend eine Übersicht über alle Fälle, die in der Schweiz angezeigt werden. So könnte die Polizei sehen, wo eine Täterschaft aktiv ist und entsprechend rasch Ermittlungen aufnehmen – damit die Ermittler ebenso schnell sind wie die Internetkriminellen.