Nachdem die deutsche Wehrmacht in Frankreich einmarschierte, flüchteten polnische Soldaten, die zuvor in der französischen Armee kämpften, in die Schweiz. Rund 6000 von ihnen wurden im Juni 1940 im sogenannten «Concentrationslager» im bernischen Büren an der Aare interniert.
Ein Lager, das rein äusserlich den deutschen Konzentrationslagern glich – Holzbaracken, ein Wachturm und Stacheldraht. Der Historiker Jürg Stadelmann hat die Geschichte des «Concentrationslagers» aufgearbeitet. Im Interview erzählt er, weshalb das Bürener Lager mit den deutschen nur sehr wenig gemein hatte und ob sich dieses mit heutigen Asylzentren vergleichen lässt.
SRF News: Inwiefern wurde das «Concentrationslager» in Büren an der Aare 1940 bis 1946 diesem vorbelasteten Namen gerecht?
Jürg Stadelmann: Der Begriff «Concentrationslager» ist deutlich zu trennen vom Konzentrationslager oder Vernichtungslager, wie man sie aus der Nazizeit kennt. Der Begriff geht in der Schweiz aufs Französische zurück. In den Quellen zum Lager steht, dass man die heimatlosen, fremden Militärpersonen an einem Ort «concentrer» wollte, um Kosten und Aufwand zu sparen. Die Schweiz war aufgrund ihrer Neutralität verpflichtet, aufgenommene Soldaten nicht in den Krieg zurückkehren zu lassen.
Wenn Sie verantwortlich sind, so viele Soldaten zurückzuhalten, dann bauen Sie an einem abgelegenen Ort Baracken, einen Zaun drumherum und bewachen es. Das ist so elementar wie primitiv. Zudem vermittelt ein Lager auch eine symbolische Botschaft: Es signalisiert den Insassen: Wir schauen momentan für euch, wollen euch aber längerfristig nicht hier haben.
Wie ging es den Internierten in diesem Lager?
Objektiv gesehen ging es ihnen gut. Sie hatten für den Winter ein Dach über dem Kopf, schliefen auf Stroh und bekamen zu essen. In der Schweiz waren diese jungen Polen sicher – in ihrem Heimatland wären sie an Leib und Leben bedroht gewesen. Doch wirklich wohl fühlten sie sich dort nicht.
Wirklich wohl fühlten sie sich dort nicht.
Das Lager wurde erst im Sommer 1940 gebaut. Davor lebten viele Polen bei Schweizer Bauernfamilien und halfen da in der Landwirtschaft mit.
Das dürfte den jungen Polen eher entsprochen haben?
Verglichen mit den fast familiären Verhältnissen fühlte sich das Grosslager wie ein Gefängnis an. Das führte zu Spannungen, die Internierten meuterten und es fielen von Schweizer Wächtern gar Schüsse. Daraufhin wurde das Vorhaben abgebrochen, die Polen dislozierten samt Baracken und das Lager stand für kurze Zeit leer. Später diente das Lager als Noteinrichtung für weitere Militär- und Zivilflüchtlinge aus vielen Ländern – unter anderem für jüdische Flüchtlinge.
Das Gespräch führte Lars Gotsch.