Im August 1914 ruft der Bundesrat die Mobilmachung aus. Und bereitet die Wahl eines neuen Generals durch das Parlament vor. Theophil Sprecher von Bernegg, ein angesehener und erfahrener Militär, gilt als sicherer Kandidat. Die Fraktionen der drei grossen Parteien, der Freisinnigen, der Sozialdemokraten und der katholisch-konservativen Partei sprechen sich mehrheitlich für Sprecher aus. Doch innerhalb weniger Stunden wendet sich das Blatt.
Hinter den Kulissen spielt sich eine Intrige ab. Bundesrat Arthur Hoffmann, der Anfang Jahr frisch das Aussendepartement übernommen hat, setzt alles daran, Ulrich Wille zum General zu machen. Hoffmann und Wille kennen sich aus gemeinsamen Militärdiensten und teilen eine Bewunderung für das deutsche Militärwesen. Gerade wegen seiner Nähe zum Deutschen Reich gilt Wille etwa für Romands als unwählbar.
Diese zehn Minuten in einem Haus an der Alpenstrasse in Bern entscheiden darüber, wer die Schweizer Armee durch den Ersten Weltkrieg führen wird.
Hoffmann versucht etwa, die Neutralitätskommission zu beeinflussen – diese soll die Wahl des Generals vorbereiten. «Diese erste Intervention ist krachend gescheitert, weil Hoffmann ein Ja der Neutralitätskommission wollte, weil er dann ein Ja innerhalb des Bundesrates erreicht hätte», sagt Historiker Daniel Sprecher, der die Vorgänge akribisch untersucht hat.
Hoffmanns neue Taktik: Zeit gewinnen. So erreicht er, dass die Ratspräsidenten die Traktandenlisten immer wieder anpassen und die Generalswahl nach hinten verschoben wird. So kommt es, dass das Parlament über die 5-Franken-Note debattiert – statt über den Einsatz eines Generals.
Wille droht Sprecher
Als sich abzeichnet, dass seine Wahl scheitern könnte, nimmt Wille die Zügel selbst in die Hand. Am Abend fährt er zu Sprecher und bittet ihn um eine Audienz.
Zunächst appelliert Wille an seine persönliche Ehre und die Erwartungen seiner Familie. Sprecher gibt nicht nach. So zieht Wille das letzte Ass aus dem Ärmel. Er droht, Sprecher öffentlich in der Presse zu bekämpfen. Sprecher gibt nach, «um dem Land ein öffentliches Schauspiel zu ersparen». Historiker Daniel Sprecher: «Diese zehn Minuten in einem Haus an der Alpenstrasse in Bern entschieden darüber, wer die Schweizer Armee durch den Ersten Weltkrieg führen wird.»
Ich komme dann doch immer wieder zur Überzeugung, dass ich in gegenwärtiger Lage das Schiff nicht verlassen darf.
Kurz danach tritt Sprecher vor die Fraktionen und erklärt seinen Verzicht. Der Weg ist frei für Wille, der schliesslich mit 122 Stimmen zum General der Schweizer Armee gewählt wird. Sprecher erhält trotz seines Verzichts 63 Stimmen und wird später zum Generalstabschef ernannt. Diese Ereignisse werfen ein Licht auf die undemokratischen Methoden, die zur Wahl von Wille führten.
Die folgenden vier Jahre arbeiten Wille und Sprecher eng zusammen. Wille fungiert hauptsächlich als Repräsentationsfigur und ist für die symbolische Führung der Armee zuständig. Sprecher hingegen ist für die strategische Planung verantwortlich.
Trotz der klaren Arbeitsteilung gibt es Spannungen zwischen den beiden. So schreibt Sprecher einmal in einem Brief über Wille: «Der Verkehr mit ihm und dem Bundesrat führt oft zu so verzwickten Verhältnissen und zu Schwierigkeiten, die mich oft in Gefahr bringen, die Geduld zu verlieren und mich mit Dank zu verabschieden. Aber ich komme dann doch immer wieder zur Überzeugung, dass ich in gegenwärtiger Lage das Schiff nicht verlassen darf.»
Trotz aller Schwierigkeiten übersteht die Schweiz den Krieg fast unbeschadet.