Das ist ein Rekordsommer: der heisseste Juli und Juni weltweit seit Messbeginn. Der Regen fällt örtlich so stark, dass es zu Überschwemmungen kommt. Ein Sturm verwüstete La Chaux-de-Fonds. «Der Klimawandel ist kein Zukunftsszenario mehr. Er ist Realität.» So heisst es im 6. Weltklimabericht des «Weltklimarats» IPCC. ETH-Klimatologe Erich Fischer hat diesen mitverfasst.
SRF News: 2023 ist der Sommer der Hitzerekorde. Wie sind diese einzuordnen?
Erich Fischer: Wir hatten diese ganzen Wetterextreme. Wir sind fast nicht nachgekommen mit protokollieren, geschweige denn, sie zu studieren: 47 Grad in der Türkei, vor ein paar Tagen über 40 Grad in Sardinien sowie in Sizilien, das Mittelmeer so warm wie noch nie. Letztes Wochenende gab es Rekordniederschläge in Slowenien, Österreich und auch in China.
Die Hitzewelle wird, insbesondere in Nord- und Zentraleuropa, nicht ausreichend ernst genommen. Vermutlich, weil die Effekte zu wenig spektakulär sind.
Die ganze Palette der Ereignisse, von denen wir nun die ganze Zeit gesprochen haben, zeigen sich nun. In der jüngsten Vergangenheit wurden vermehrt Rekorde gebrochen. Dies ist ungewöhnlich, da statistisch gesehen Rekorde seltener werden sollten, desto länger gemessen wird.
Ist die Schweiz auf die kommenden Hitzewellen vorbereitet?
Die Hitzewelle wird, insbesondere in Nord- und Zentraleuropa, nicht ausreichend ernst genommen. Vermutlich, weil die Effekte zu wenig spektakulär sind. Untersuchungen von 2022 haben gezeigt, dass es mehr Hitzetote als Verkehrstote in der Schweiz gab. Häufig betroffen davon sind ältere Menschen. Gleichzeitig sehen wir eine reduzierte Arbeitsleistung der Personen, die draussen arbeiten. Aber auch in schlecht isolierten Innenräumen nimmt die Leistung ab. Unsere Architektur muss sich verändern. Gebäude müssen fit für die Zukunft gemacht werden.
Wie ist die klimatische Situation in der Schweiz?
Die Schweiz ist stark vom Klimawandel betroffen. Seit dem 19. Jahrhundert können wir eine Erwärmung von 2.5 Grad messen, das ist mehr als das Doppelte des globalen Durchschnittes. Schmelzende Gletscher und Schneedecken bringen zunehmend schwarzen Gesteinsuntergrund zum Vorschein, der mehr Sonnenlicht aufnimmt. Zusätzlich wissen wir, dass sich Gebirgsräume stärker erwärmen.
Trotz der massiven Erwärmung zählt die Schweiz aktuell noch nicht zu den Hotspots. Dies liegt mitunter an der diversifizierten Wirtschaft wie aber auch daran, dass die Schweiz im Vergleich zu vielen anderen Ländern über die finanziellen Mittel verfügt, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ich bin überzeugt, dass die grössten Herausforderungen der Schweiz betreffend Klimawandel indirekt durch Wetter- und Klimawandel in anderen Gebieten anfallen werden. Beispielsweise letztes Jahr, als aufgrund einer Hitzewelle in China Fabriken geschlossen wurden, die Bestandteile für Schweizer Antibiotika produzierten.
Die grosse Frage zurzeit ist: Wird die Beschleunigung sich so fortsetzten oder wird sich der Prozess verlangsamen?
Wie ordnen Sie die Voraussagen des jüngsten Klimaberichts ein?
Bei den Auswirkungen sind wir in vielen Bereichen immer am obersten Rand unserer Projektionen. Bei der Sommerhitze in Mitteleuropa und Westeuropa läuft der Trend am allerobersten Rand der Vorhersagen ab. Dasselbe gilt bei den Oberflächentemperaturen der Meere. Die Vorhersagen stimmen noch, aber definitiv am oberen Rand.
Die grosse Frage zurzeit ist: Wird die Beschleunigung sich so fortsetzten oder wird sich der Prozess verlangsamen? In der Tendenz wird es in die gleiche Richtung weitergehen.
Die Gespräche führte Karoline Arn. Mitarbeit: Géraldine Jäggi.