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Erich Fischer: «Das Risiko Hitze wird zu wenig ernst genommen»
Aus Tagesgespräch vom 09.08.2023. Bild: SRF/ Karoline Arn
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IPCC-Bericht zum Klima «Der Klimawandel betrifft die Schweiz stark»

Das ist ein Rekordsommer: der heisseste Juli und Juni weltweit seit Messbeginn. Der Regen fällt örtlich so stark, dass es zu Überschwemmungen kommt. Ein Sturm verwüstete La Chaux-de-Fonds. «Der Klimawandel ist kein Zukunftsszenario mehr. Er ist Realität.» So heisst es im 6. Weltklimabericht des «Weltklimarats» IPCC. ETH-Klimatologe Erich Fischer hat diesen mitverfasst.

Erich Fischer

Professor ETH Zürich

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Erich Fischer ist Professor an der ETH Zürich. Im Jahr 2007 schloss er seine Promotion am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH ab. Danach arbeitete er als Postdoc am National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder, Colorado, und als Gastwissenschaftler an der University of Reading, England, bevor er an die ETH zurückkehrte.

SRF News: 2023 ist der Sommer der Hitzerekorde. Wie sind diese einzuordnen?

Erich Fischer: Wir hatten diese ganzen Wetterextreme. Wir sind fast nicht nachgekommen mit protokollieren, geschweige denn, sie zu studieren: 47 Grad in der Türkei, vor ein paar Tagen über 40 Grad in Sardinien sowie in Sizilien, das Mittelmeer so warm wie noch nie. Letztes Wochenende gab es Rekordniederschläge in Slowenien, Österreich und auch in China.

Die Hitzewelle wird, insbesondere in Nord- und Zentraleuropa, nicht ausreichend ernst genommen. Vermutlich, weil die Effekte zu wenig spektakulär sind.

Die ganze Palette der Ereignisse, von denen wir nun die ganze Zeit gesprochen haben, zeigen sich nun. In der jüngsten Vergangenheit wurden vermehrt Rekorde gebrochen. Dies ist ungewöhnlich, da statistisch gesehen Rekorde seltener werden sollten, desto länger gemessen wird.

Ist die Schweiz auf die kommenden Hitzewellen vorbereitet?

Die Hitzewelle wird, insbesondere in Nord- und Zentraleuropa, nicht ausreichend ernst genommen. Vermutlich, weil die Effekte zu wenig spektakulär sind. Untersuchungen von 2022 haben gezeigt, dass es mehr Hitzetote als Verkehrstote in der Schweiz gab. Häufig betroffen davon sind ältere Menschen. Gleichzeitig sehen wir eine reduzierte Arbeitsleistung der Personen, die draussen arbeiten. Aber auch in schlecht isolierten Innenräumen nimmt die Leistung ab. Unsere Architektur muss sich verändern. Gebäude müssen fit für die Zukunft gemacht werden.

Wie ist die klimatische Situation in der Schweiz?

Die Schweiz ist stark vom Klimawandel betroffen. Seit dem 19. Jahrhundert können wir eine Erwärmung von 2.5 Grad messen, das ist mehr als das Doppelte des globalen Durchschnittes. Schmelzende Gletscher und Schneedecken bringen zunehmend schwarzen Gesteinsuntergrund zum Vorschein, der mehr Sonnenlicht aufnimmt. Zusätzlich wissen wir, dass sich Gebirgsräume stärker erwärmen.

Hitzerekord in den Meeren

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Silvia Frey, Geschäftsführerin der Meeresschutzorganisation KYMA, kommt von ihrer Forschungsreise im Mittelmeer zurück: «In der diesjährigen Saison haben wir in kürzester Zeit einen extremen Wechsel von kühl zu warm beobachtet, wie ich ihn noch nie erlebt habe», schildert Frey, «dies ist sehr beängstigend und beeindruckend zugleich».

Die ansteigende Meerestemperatur wirkt sich auf die Nahrungsketten aus. «Es gibt eine Räuber-Beute-Beziehung zwischen den Organismen», wandert die Beute, muss der Räuber mitziehen, so Frey. Das schaffen aber nicht alle Organismen.

Schwämme oder Korallen sterben bei zu hohen Temperaturen ab. Auch werden die Tiere oder Pflanzen kleiner, je wärmer das Wasser wird. Denn sie brauchen mehr Nahrung, es ist aber weniger vorhanden. «Ein eindrückliches Beispiel ist der Glattwal. Im Vergleich zu 1980 hat diese Walart ein Viertel ihrer Körpermasse verloren und ist im Schnitt einen Meter kleiner geworden.»

Trotz der massiven Erwärmung zählt die Schweiz aktuell noch nicht zu den Hotspots. Dies liegt mitunter an der diversifizierten Wirtschaft wie aber auch daran, dass die Schweiz im Vergleich zu vielen anderen Ländern über die finanziellen Mittel verfügt, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ich bin überzeugt, dass die grössten Herausforderungen der Schweiz betreffend Klimawandel indirekt durch Wetter- und Klimawandel in anderen Gebieten anfallen werden. Beispielsweise letztes Jahr, als aufgrund einer Hitzewelle in China Fabriken geschlossen wurden, die Bestandteile für Schweizer Antibiotika produzierten.

Die grosse Frage zurzeit ist: Wird die Beschleunigung sich so fortsetzten oder wird sich der Prozess verlangsamen?

Wie ordnen Sie die Voraussagen des jüngsten Klimaberichts ein?

Bei den Auswirkungen sind wir in vielen Bereichen immer am obersten Rand unserer Projektionen. Bei der Sommerhitze in Mitteleuropa und Westeuropa läuft der Trend am allerobersten Rand der Vorhersagen ab. Dasselbe gilt bei den Oberflächentemperaturen der Meere. Die Vorhersagen stimmen noch, aber definitiv am oberen Rand.

Die grosse Frage zurzeit ist: Wird die Beschleunigung sich so fortsetzten oder wird sich der Prozess verlangsamen? In der Tendenz wird es in die gleiche Richtung weitergehen.

Die Gespräche führte Karoline Arn. Mitarbeit: Géraldine Jäggi.

Tagesgespräch, 9.8.2023, 13:00 Uhr ; 

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