Freitagnachmittag, Schulhaus Kirchacker in Neuhausen: Sechs Buben und sechs Mädchen sind im Klassenzimmer. Sie sind freiwillig da. Vor ihnen steht Nimetulla Veseli in Jeans und weissem Hemd. Der 34-Jährige ist kein Lehrer, sondern Imam an der albanischen Moschee in Schaffhausen. Er will den Kindern ein korrektes Bild ihrer Religion vermitteln. Als Erstes lernen sie Grundbegriffe. Auf Arabisch und Deutsch. Was heisst «Allah»? Die Kinder sind aufmerksam, machen mit.
Islamischer Religionsunterricht in einer öffentlichen Schule: Das ist in der Schweiz eine Seltenheit. Nebst dem Pilotprojekt in Neuhausen gibt es nur in Kreuzlingen (TG) ein ähnliches Projekt.
Ein gutes Grundwissen über den Islam sei für die Kinder aber essenziell, sagt Nimetulla Veseli. «Wir leben mit Facebook, Youtube, Tiktok, Instagram. Dort finden die Kinder viele Informationen über den Islam. Nicht alle sind wahr. Wir sind dazu da, ihnen die richtigen Informationen zu geben.»
Angeregt hat den Unterricht der Interreligiöse Dialog in Schaffhausen, ein Zusammenschluss der ansässigen Religionen. Sie wollen das friedliche Zusammenleben fördern.
Wir wollen den Kindern ein richtiges Bild des Islam vermitteln.
An vorderster Front kämpft Markus Sieber für den Islamunterricht an der Schule. Er ist reformierter Pfarrer in Schaffhausen. «Wir erreichen mehr Kinder in der Schule als in der Moschee. In der Schule unterrichten bedeutet auch, dass wir den Islam ein Stück weit anerkennen. Die Kinder lernen, dass er zur Gesellschaft gehört.» Doch politisch und gesellschaftlich ist das Projekt nicht unumstritten.
Ein Projekt gegen Radikalisierung
Der zuständige Neuhauser Gemeinderat, Ruedi Meier, betont mehrfach: Der Islamunterricht ist kein schulisches Angebot. Die Schule stellt nur den Raum zur Verfügung. Er sagt aber: «Ich sehe im Unterricht einen positiven Kontrapunkt. Die Kinder können den Islam kennenlernen. Unabhängig vom Extremismus.» Kontrapunkt deshalb, weil in Neuhausen eine umstrittene Moschee zu reden gibt. Offenbar ist nicht klar, wer dort ein und aus geht, welche Lehre vermittelt wird. Es erscheinen Medienberichte über einen verurteilten IS-Anhänger, der an der Moschee beteiligt sein soll.
An der Schule herrscht volle Transparenz.
Ganz im Gegensatz zur Schule. Dort herrsche volle Transparenz, sagt Meier: «Wir kennen das Lehrmittel, wir kennen die Leute, die unterrichten. Eine Lehrperson begleitet das Ganze.» Der Islamunterricht soll also auch ein Präventionsprojekt sein. Möglicher Radikalisierung vorbeugen. Dies anerkennt auch der Bund. Das Bundesamt für Polizei (fedpol) finanziert das Projekt deshalb mit.
«Kein Bedarf» in der Stadt Schaffhausen
In der Stadt Schaffhausen hingegen, sagen die Schulbehörden Nein zu einem Islamunterricht in der Schule. Mit dem gleichen Recht könnten ja auch Buddhisten, Hindus oder Juden Räume fordern, sagt der Präsident der städtischen Schulbehörde, Christian Ulmer. Zur weiteren Abklärung hat seine Behörde eine offizielle Anfrage ans kantonale Erziehungsdepartement gestellt: «Muss die Volksschule Raum zur Verfügung stellen und den Unterricht inhaltlich überprüfen?» Nein, sagt der Kanton. Es gibt keinen Bedarf.
So bleibt es vorläufig beim Islamunterricht in zwei Neuhauser Schulen. Imam Nimetulla Veseli verabschiedet sich am Schluss der Stunde von seinen zwölf Schülerinnen und Schülern. «Salam Aleikum». Und auf Deutsch? «Friede sei mit dir», antworten die Kinder im Chor.