Frauen und Mädchen werden in der Schweiz durch die jetzt in Kraft tretende Istanbul-Konvention besser geschützt, erklärt Ursula Thomet. Sie ist Vize-Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau (EBG).
SRF News: Was beinhaltet die Istanbul-Konvention und wie wird sie umgesetzt?
Ursula Thomet: Frauen und Mädchen werden durch eine engagierte Umsetzung der Konvention durch Bund und Kantone in Zukunft besser geschützt sein. Die Konvention setzt ein starkes Zeichen für die Nulltoleranz für diese Gewalt in der Schweiz. Neue Gesetze werden nicht nötig sein, weil die Schweiz die Anforderungen hier bereits erfüllt. Die von der Istanbuler Konvention umfassten Gewaltformen sind in der Schweiz alle strafbar.
Was macht denn diese Konvention dennoch so wichtig?
Es ist gerade der umfassende Ansatz, der die Konvention auszeichnet und über staatsrechtliche Regelungen hinausgeht. Sie zielt zum Beispiel auch auf die Ausbildung von Berufsgruppen, die mit Opfern und Tatpersonen in Kontakt kommen. Oder darauf, dass es genügend Schutzplätze in der Schweiz gibt und dass diese auch finanziell abgesichert sind. Die Opferhilfeberatungsstellen sollen besser bekannt und erreichbar sein. Sie verlangt Programme für Tatpersonen oder verlangt auch spezifische Massnahmen für von Gewalt betroffene Kinder.
Kinder brauchen besondere Unterstützung, um Gewaltmuster in Familien zu durchbrechen.
Neben der strafrechtlichen Ebene geht es auch um Prävention und Opferschutz. Wie konkret ist die Übereinkunft bei diesen Punkten?
Der Opferschutz steht im Kern der Istanbul-Konvention. Und etwa auch der Schutz von durch Gewalt betroffenen Kindern. Das ist besonders wichtig, denn Kinder brauchen besondere Unterstützung, um Gewaltmuster in Familien zu durchbrechen. Oder auch, um der Tatsache vorzubeugen, dass Kinder, die Gewalt erlebt haben, ein wesentlich höheres Risiko haben, später selber Opfer oder Täter zu werden.
Die Konvention will explizit Frauen vor Gewalt schützen. Das hat aber auch für Unmut gesorgt, denn die Frage kam auf, wo denn die Männer bleiben, die ja durchaus auch Opfer etwa von häuslicher Gewalt werden. Sind Männer in der Konvention mit gemeint?
Ja, bei häuslicher Gewalt sind alle Menschen unabhängig von Geschlecht durch die Konvention geschützt. Auch das Schweizer Recht ist im Grundsatz geschlechtsneutral ausgestaltet, es werden alle Menschen geschützt. Auch die Opferberatung in der Schweiz richtet sich grundsätzlich an alle Personen, die Opfer einer Straftat im Sinne des Opferhilfegesetzes werden. Die Istanbul-Konvention schafft hier keine Ungleichheiten. Sie anerkennt jedoch, dass Frauen grossmehrheitlich Opfer häuslicher Gewalt oder von Sexualdelikten sind.
Die Schweiz setzt hier symbolisch ein klares Zeichen einer Nulltoleranz gegen diese Formen von Gewalt.
In der Schweiz wird Gewalt gegen Frauen bereits strafrechtlich verfolgt, auch präventiv wird einiges getan. Warum hat denn die Schweiz dieses Übereinkommen des Europarats überhaupt noch unterschrieben?
Die Schweiz setzt hier symbolisch ein klares Zeichen einer Nulltoleranz gegen diese Formen von Gewalt. Wichtig ist die Ratifikation aber auch deshalb, weil die Schweiz damit beiträgt, dass Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt europaweit auf einem vergleichbaren Niveau bekämpft werden kann.
Halten Sie die Konvention für ein taugliches Mittel, um die Gewalt gegen Frauen und Männer einzudämmen?
Die Istanbul-Konvention ist ein ausgesprochen wichtiges Instrument für einen umfassenden Schutz und sie bietet dem Bund und den Kantonen einen soliden Orientierungsrahmen für die Weiterentwicklung in der Schweiz.
Das Gespräch führte Marc Allemann.