Wird in der Schweiz abgestimmt, zeigen die roten und grünen Bereiche auf der Abstimmungskarte oft schnell, welche Kantone städtisch dominiert sind und welche ländlich. Auf den ersten Blick ist es auch beim Klimaschutz-Gesetz so. Viele ländliche Kantone sind rot eingefärbt, sagen also Nein zum Ziel einer klimaneutralen Schweiz bis 2050. Doch es sind längst nicht alle.
Das Klimaschutz-Gesetz ist der Nachfolger des CO₂-Gesetzes, das vor zwei Jahren an der Urne gescheitert ist. Ein grosser Unterschied zeigt sich bei der Stimmbeteiligung: 2021 betrug sie fast 60 Prozent, heute gemäss Hochrechnungen nur 42 Prozent. Parallel zum CO₂-Gesetz wurde damals über zwei Agrarinitiativen abgestimmt, was in ländlichen Regionen zu Beteiligungsrekorden führte. Und wer die beiden Initiativen ablehnte, sagte meist auch Nein zum CO₂-Gesetz. Dieser Mitnahmeeffekt hat den Gegnern diesmal gefehlt.
Zwei Bergkantone sagen Ja
Allein auf die Mobilisierung zu pochen, würde aber zu kurz greifen. So lag der Nein-Anteil selbst in den skeptischsten Kantonen wie Obwalden, Schwyz oder Uri klar unter 60 Prozent. Auch dort gibt es also einen gewichtigen Anteil der Stimmbevölkerung, der das Netto-Null-Ziel unterstützt. Und was noch wichtiger ist: In ländlichen Kantonen wie Basel-Land oder Appenzell Ausserrhoden haben die Befürworter Mehrheiten. Zudem sagen mit dem Wallis und Graubünden gleich zwei Bergkantone Ja zum Klimaschutz-Gesetz; und zwar deutlich.
Seit der Abstimmung zum CO₂-Gesetz gab es diverse Extremwetterereignisse im Ausland und die Schweiz erlebte einen äusserst trockenen Sommer 2022. Damit dürfte sowohl in Tourismusregionen als auch bei vielen Landwirtinnen und Landwirten die Sensibilisierung für die Konsequenzen des Klimawandels zugenommen haben. Das Ja der Bergkantone ist ein wichtiges Zeichen. Auch, weil sie für den Ausbau der erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle spielen dürften.
Die heutige Abstimmung zeigt klar: Klimaschutz ist nicht nur in linken Städten mehrheitsfähig. Die grosse Frage ist, ob das so bleibt, falls es neben Anreizen auch Verbote brauchen sollte, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Gegnerinnen und Gegner des Klimaschutz-Gesetzes warnten schon im Abstimmungskampf vor Benzinverboten und überteuerten Familienferien wegen Flugticketabgaben. Beides wird im Klimaschutz-Gesetz mit keinem Wort erwähnt. Diese Argumentation grenzte an Irreführung, wirft aber gleichzeitig die zentrale Frage für die nächsten Jahrzehnte auf: Geht Klimaneutralität ohne Verbote und zusätzliche Klimaabgaben für die Bevölkerung?
Mehr als nur Subventionen nötig
Das Klimaschutz-Gesetz kostet 3.2 Milliarden Franken. Das ist nicht das Preisschild der Klimaneutralität. Sie wird mehr kosten. Daraus machten auch die Befürworter im Abstimmungskampf keinen Hehl. Die Diskrepanz zwischen dem CO₂-Gesetz (51.6 Prozent Nein) und dem Klimaschutzgesetz (59.1 Prozent Ja) zeigt, dass Mehrheiten an der Urne deutlich leichter zu erreichen sind, wenn Anreize gesetzt und Innovationen gefördert werden. Bundesrat und Parlament müssen sich aber bald neue Massnahmen überlegen, damit die Zwischenziele auf dem Weg zur Klimaneutralität erreicht werden können.
Schon heute pocht die Regierung darauf, dass Ausgaben reduziert werden müssen, um die Schuldenbremse weiter einhalten zu können. Weiterhin nur auf Subventionen zu setzen, dürfte also schwierig werden. Nun müssen sich Bundesrat und Parlament eine neue Formel überlegen, die Netto-Null bis 2050 realistisch macht – und mit der neben den Städten erneut auch ländliche Regionen ins Boot geholt werden können.