Der Wolfsbestand darf um bis zu 70 Prozent reduziert werden, von den 32 in der Schweiz lebenden Rudeln müssen mindestens zwölf erhalten bleiben. Als der Bundesrat Ende August bekannt gab, wie er das revidierte Jagdgesetz umsetzen will, war der Aufschrei gross – und die Frage wurde laut, wie man auf diese Zahlen komme. Nun reagiert das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf Anfrage des «Clubs» von SRF.
Nicht nur Umweltverbände übten in den vergangenen Wochen Kritik an der bundesrätlichen Verordnung, auch in den Kantonen gibt es Widerstand. So schrieb die Kommission für Wald, Wildtiere und Landschaft (KWL), der die kantonalen Jadgdirektorinnen und -direktoren angehören, dieser nationale Schwellenwert von zwölf Wolfsrudeln sei «willkürlich» angesetzt. Er entspreche «weder den wissenschaftlichen Artenschutzüberlegungen der Berner Konvention, beziehungsweise der Alpenkonvention, noch den bisherigen Ausführungen des Bundesrates».
Diese Kritik unterstreicht KWL-Präsident Josef Hess, Regierungsrat des Kantons Obwalden (parteilos) im «Club»: «Wir beurteilen den Schwellenwert als tief. Aufgrund wildbiologischer Untersuchungen, die uns bekannt sind, bräuchte es etwa 20 bis 25 Rudel.»
Wie kommt der Bund also auf diese zwölf Rudel? Auf Anfrage des «Club» schreibt das Bafu, dass es sich um eine politische Entscheidung handle: «Es ist Sache des Bundesrates, die neuen Gesetzesbestimmungen zu konkretisieren.» Weiter verweist das Bafu auf eine Empfehlung der Alpenkonvention aus dem Jahr 2016. Die Alpenkonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den acht Alpenländern und der EU. Nur: In dem Dokument ist an keiner Stelle von zwölf Rudeln die Rede, im Gegenteil.
Bericht der Alpenkonvention (2016)
Um das in der Konvention definierte Ziel zu erreichen und den Erhalt des Wolfes in den Alpen zu sichern, seien 17 Rudel in der Schweiz anzustreben. Dazu würden drei Rudel im Jura mitgezählt, führt das Bafu aus – womit man bei den 20 Rudeln wäre, auf die sich auch die KWL bezieht. Der Bericht wurde vom Bafu mitfinanziert; Erstautor ist Reinhard Schnidrig, noch heute Sektionschef für Wildtiere und Artenförderung beim Bundesamt.
Der Widerspruch zur aktuellen Politik ist offensichtlich. Im Bericht wird zudem betont, dass eine «mehr oder weniger gleichmässige» Verteilung der Rudel in den Alpenländern notwendig sei. In den Nachbarländern reagierte man entsprechend irritiert auf den Entscheid des Bundesrates.
Druck auf Kantone und Wildhut
Die KWL kritisiert zudem, dass mit dieser tiefen Mindestschwelle bei der Bergbevölkerung Erwartungen geschürt würden, die man nicht erfüllen könne – «das erhöht unnötig den Druck auf die kantonale Wildhut und die betreffenden Kantone.»
Auf diesen Vorwurf entgegnet das Bafu, dass die Zahl der Rudel, die in der Schweiz leben, durchaus auch höher sein könne: «Es ist auch in Zukunft an den Kantonen, zu entscheiden, bei welchen Rudeln ihnen eine Regulierung angezeigt erscheint und bei welchen dies nicht nötig ist. Die Verordnung gibt den Kantonen hierfür den nötigen Handlungsspielraum – ohne Anträge der Kantone wird bei den Rudeln nicht eingegriffen.»