An der Delegiertenversammlung (DV) des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) war auch der Krieg in der Ukraine ein Thema. Gleichzeitig traf sich auch die soziale Organisation der jüdischen Gemeinden in der Schweiz, der Verband Schweizerischer Jüdischer Flüchtlingshilfen/Fürsorgen (VSJF), zu seiner DV. Der VSJF verfügt über einen Sozialdienst, der jüdischen Menschen, die meist keiner Gemeinde angehören, Hilfe anbietet.
Die Betroffenheit der Schweizer Jüdinnen und Juden ist gross. Mit ihren Glaubensgenossen aus der Ukraine verbindet sie eine lange Geschichte. Man stehe in engem Kontakt mit jüdischen Gemeinden in der Ukraine, sagt der Präsident des SIG, Ralph Lewin. Viele Schweizer Juden und Jüdinnen hätten Verwandte in der Ukraine. Die Solidarität unter Jüdinnen und Juden sei ebenso gross wie in der gesamten Schweizer Bevölkerung.
«Alle leiden mit bei dem, was jetzt geschieht. Es hat dort eine sehr grosse jüdische Gemeinschaft. Mein Schwiegervater beispielsweise ist in der Ukraine geboren worden. Es geht jetzt darum, das Leiden dieser Menschen zu lindern und ein Ende für diesen Krieg zu finden», sagt Ralph Lewin.
Dass Putin den Krieg in der Ukraine mit der Entnazifierung des Landes begründet, sei als Vergleich nicht nur stossend, sondern auch absurd, sagt Lewin: «Sicher gibt es einzelne Nazis wie in ganz vielen Ländern auch. Aber dass die Staatsspitze ein Nazi-Regime sei, ist vollständig aus der Luft gegriffen. Die Ukraine hat einen jüdischen Präsidenten, der in einer demokratischen Wahl gewählt worden ist. Die Bezeichnung dieses Regimes als Nazi-Regimes ist in erster Linie eine Banalisierung des Holocaust.» Damals seien in der Ukraine eineinhalb Millionen Menschen umgebracht worden.
Rund 300 geflüchtete Juden aus der Ukraine
Vor dem aktuellen Kriegsgeschehen sind bisher etwa 300 Juden und Jüdinnen aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet. Das sei nicht das erste Mal, sagt Gabrielle Rosenstein, die Präsidentin des Verbands Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen (VSJF).
«Unser Verband wurde kurz nach 1900 gegründet, als Juden im Auftrag des russischen Zaren zwangsrekrutiert wurden, vor allem im ukrainischen Gebiet, als Kosaken Pogrome durchgeführt haben. Das gab eine riesige Auswanderungswelle, auch in die Schweiz», sagt Rosenstein.
Die jüdischen Gemeinden hätten damals viel für die Flüchtlinge getan. Auch heute sei die Solidarität gross: Von Wohnraum über Schulen, vieles werde für die Flüchtlinge bereitgestellt. Zudem gäbe es spezielle Anlässe für die Geflüchteten, die von jüdischen Gemeinden organisiert würden.
Dazu gehöre auch koschere Verpflegung oder ein Seder, eine zeremonielle Mahlzeit zu Beginn des jüdischen Pessach-Festes, das für eine grosse Gruppe ukrainische Geflüchteter in Davos (GR) organisiert werden konnte. «Das war ein spezielles Gemeinschaftserlebnis für die Ukrainerinnen, das mit Flucht und Exil zusammenhängt», erklärt Gabrielle Rosenstein.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat als Ehrengast an der Delegiertenversammlung in Bern teilgenommen. In Bezug auf den Krieg in der Ukraine lobte sie die Solidarität und dankte für das Engagement der jüdischen Gemeinschaft.