Wegen der Pandemie steigt auch die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen. So habe die Pandemie die Lehrstellensuche und die Berufsbildung erschwert, sagt die Soziologin Irene Kriesi.
SRF News: Wie schlimm ist die Situation der Jugendlichen punkto Ausbildung und Arbeit in Ihren Augen?
Irene Kriesi: Die Arbeitslosigkeit von jungen Menschen in der Schweiz ist 40 Prozent höher als sie noch vor einem Jahr war, bei den 20- bis 25-Jährigen beträgt die Zunahme sogar 45 Prozent. Es sind also deutlich mehr junge Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen als vor der Pandemie.
Liegt das Problem eher bei der Lehrstellen- oder bei der Jobsuche nach der Lehre?
Beides kann ein Problem sein. Grundsätzlich ist es in einer Rezession immer schwierig, nach der Lehre eine Stelle zu finden, die der Ausbildung entspricht. Das kann langfristige Folgen haben: Arbeitslosigkeit im frühen Erwerbsleben geht später oft mit tieferem Einkommen einher, auch verkleinert Arbeitslosigkeit die Einstellungschancen.
In einer Rezession ist es immer schwierig, nach der Lehre eine geeignete Stelle zu finden.
Bei der Lehrstellensuche beginnt das Problem bei der derzeit fehlenden Möglichkeit von Schnupperlehren. Auch werden Berufsmessen und Info-Veranstaltungen bloss elektronisch angeboten, was den Schülerinnen und Schülern die Berufswahl enorm erschwert. Ob die Corona-Pandemie grundsätzlich zu einem Rückgang der Anzahl angebotener Lehrstellen führen wird, kann man dagegen noch nicht abschätzen.
Homeoffice, Kurzarbeit: Wie wirkt sich das auf die Qualität der Ausbildung der Lehrlinge aus?
Homeoffice erschwert die Betreuung der Lernenden. Sie sind auf gute Instruktionen und eine gute Betreuung angewiesen. Doch im Homeoffice sind sie gezwungen, selbständig zu arbeiten, sie haben weniger Betreuung. Darunter leiden viele. Bei der Kurzarbeit besteht das Problem, dass die Lernenden weniger Arbeitserfahrung sammeln können – das kann sich später negativ auf die Lehrabschlussprüfung auswirken.
Auch an den Berufsschulen fiel der Präsenzunterricht teilweise aus – gibt es Hinweise darauf, dass die Jugendlichen dort derzeit weniger gut ausgebildet werden wegen Corona?
Die Lehrpersonen an Berufsschulen und Fachhochschulen sind in der Tat zum Schluss gekommen, dass die Auszubildenden im Fernunterricht weniger gelernt haben. Allerdings gibt es keine Studien, welche die tatsächliche Lernleistung abgefragt hätten – die Auswirkungen sind also objektiv schwierig abzuschätzen.
Möglicherweise stehen in einigen Jahren mehr Jugendliche ohne Ausbildung da.
Klar ist: Die Folgen der Coronakrise sind für jene Jugendlichen am grössten, die gar keine Lehrstelle finden oder keine im gewünschten Beruf. Das könnte dazu führen, dass in einigen Jahren mehr Jugendliche ohne Ausbildung dastehen. Möglich ist auch, dass die Lehrabschlussquote im Sommer sinken könnte. Doch das ist derzeit bloss eine Spekulation.
Welche mittel- und langfristigen Folgen haben all diese Ausbildungsprobleme infolge von Corona für die Schweizer Wirtschaft?
Wenn eine ganze Generation von Jugendlichen schlechter ausgebildet ist, kann das tatsächlich negative Folgen haben. Für jene Jugendlichen, die ganz ohne Ausbildung bleiben, liegen sie vor allem auf persönlicher Ebene. Negativ ins Gewicht fallen würde auch, wenn sehr viele Jugendliche länger arbeitslos blieben oder keine ihrer Ausbildung entsprechende Stelle finden würden. Das würde sich langfristig auf die Löhne und ihre Beschäftigungschancen auswirken.
Das Gespräch führte Marlen Oehler.