Kinder haben – oder nicht? Eine existenzielle Frage, auf die es keine selbstverständliche Antwort gibt. Und was ist, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt? Wie weit sollen oder dürfen Menschen gehen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen? Eine ukrainische Leihmutter erzählt über ihre persönlichen Erfahrungen.
SRF: Wie wurden Sie zur Leihmutter?
Leihmutter: Das erste Mal habe ich sehr lange überlegt. Ich wollte helfen, und ich wollte meine eigenen Probleme lösen. Beim ersten Mal habe ich über drei Jahre lang darüber nachgedacht. Ich habe viele Kliniken und Firmen angeschaut, viel über das Ganze gelesen. Es gibt wenig verlässliche Informationen im Internet. Niemand erzählt, wie es wirklich ist.
Was meinen Sie mit eigenen Problemen?
Wir hatten nichts Eigenes zum Wohnen und Mieten ist sehr teuer. Ich wollte nicht, dass die Kinder wie ich ständig auf der Suche nach Geld sein müssen, um die Miete zu bezahlen. Das erste Mal, als ich durch das Programm bin, haben wir ein Haus gekauft. Dieses Mal habe ich mit dem Geld Menschen geholfen und das Haus umgebaut.
Wie läuft ein Leihmutterschaft-Programm ab?
Bevor es mit dem ganzen Programm losgeht, wirst du sehr gut überprüft: Du bringst dem Unternehmen Bescheinigungen deiner Ärzte mit, einen Strafregisterauszug, ein Attest vom Psychiater, dass alles in Ordnung mit dir ist.
Wenn mit deiner Gesundheit alles gut ist, beginnt die Vorbereitung. Du schliesst mit dem Unternehmen einen notariell beglaubigten Vertrag ab. Bei den Verhandlungen geht es um unzählige Punkte. Sie sind vertraglich festgehalten und wenn du sie verletzt, gibt es Strafen. Auch die Entlöhnung ist festgeschrieben.
Als Sie das Kind geboren haben, was ging Ihnen da durch den Kopf?
Beim ersten wie auch beim zweiten Mal hatte ich nur einen Gedanken: Wie geht es dem Kind? Ist es gesund? Hat es irgendwelche Behinderungen?
Ich habe keine Rechte auf das Kind.
Mir war in diesem Moment bewusst, dass die Eltern das Kind wollen und es auch mitnehmen. Ich hatte aber auch Angst, dass ich gebäre und das Kind krank ist und die Eltern es deshalb nicht wollen.
Was geschieht, wenn die Eltern ein Kind ablehnen?
Die Eltern schreiben einfach, dass sie das Kind ablehnen, und das war es. Das Kind geht ins Kinderheim – ich habe keine Rechte auf das Kind.
Wie wichtig ist es für Sie, das Kind später zu sehen?
Für mich persönlich ist das sehr wichtig. Fotos zu kriegen, die Gewissheit zu haben, dass dieses Kind lebt und gesund ist. Dass es in einer grossen, glücklichen Familie aufwächst und man das Kind liebt, das man so lange ersehnt hat.
Denken Sie, Sie werden auch genug und fair bezahlt?
Die Eltern zahlen sehr viel. Aber die Leihmütter bekommen nicht so viel, wie sie gerne würden. Von 100 Prozent gibt es für uns etwa 15 Prozent dieser Summe.
Man sollte Leihmütter wie mich nicht verurteilen.
Das ist im besten Fall, also bei einer guten Firma. 15 Prozent bekommst du, aber nicht mehr – es gibt auch Fälle, wo das weniger ist.
Habe Sie die Kinder nach der Geburt gesehen?
Ja, das erste und zweite Mal. Ich habe die Kinder, die ich geboren habe, alle gehalten, gefüttert und ich habe allen ein kleines Geschenk gemacht, damit sie sich an mich und an die Geschichte ihrer Geburt erinnern.
Wie ist das für Sie auf emotionaler Ebene?
Ich liebe sie, wie meine eigenen Kinder. Aber für meinen emotionalen Zustand gibt es mir mehr, zu sehen, dass sie von ihren Eltern geliebt werden. Die Eltern schauen das Kind an und weinen, weil sie Eltern geworden sind. Und du siehst und verstehst, dass du etwas Gutes in diesem Leben gemacht hast. Man sollte die gesamte Situation anschauen und Leihmütter wie mich nicht verurteilen.
Das Interview führte Sofiya Miroshnyk.