Eine Studie der Hochschule Chur zeigt, dass sich junge Leute in der Gemeindepolitik eigentlich engagieren würden, wenn man sie denn fragen würde. Der Politologe Andreas Ladner erklärt die Details.
SRF News: Bringen sich junge Erwachsene von sich aus nicht stark in die Politik ein?
Andreas Ladner: Das kennt man schon länger. Junge Erwachsene engagieren sich nicht so stark für die Politik, das wissen wir auch schon von Wahlen und Abstimmungen. Und wenn man in die Gemeinden hineinschaut, dann ist auch ein Exekutivamt nicht das, was die jungen Leute anstreben. Entsprechend fehlen diese Personen dann in den Exekutiven.
Die Studie zeigt, dass viele Junge ein Amt übernehmen würden. Warum werden sie nicht gefragt?
Die Rekrutierung für diese Ämter ist eine schwierige Aufgabe. Man fragt jene Leute an, die man kennt. Da die Jungen nicht so präsent sind in der Politik, sind sie den Rekrutierungsinstanzen – das sind in Gemeinden vor allem die amtierenden Exekutivmitglieder – nicht so bekannt.
Die Qualifikationen, die man sich durch ein solches Amt verschafft, zählen weniger als früher.
Das könnte man durchaus verbessern, wenn der Gemeindepräsident einen Nachfolger sucht oder wenn ein zurücktretendes Exekutivmitglied mehr auf junge Leute zugehen würde. Dann könnte man vielleicht den einen oder die andere für ein solches Amt gewinnen.
Braucht es ein Umdenken?
Ein Umdenken und vor allem eine andere Praxis. Man geht genau dorthin, wo man immer hin gegangen ist und fragt Leute, die man kennt und mit denen man verkehrt.
Ein junger Gemeindepräsident im Kanton Solothurn hat gesagt, für die Jungen sei das Amt kein Karrieregipfel mehr. Hat sich das Jobprofil verändert?
Grundsätzlich verändern sich die Anforderungen an die Leute, und nicht alle Wege in höhere Politik führen über ein Gemeindeamt. Es gibt immer mehr Quereinsteiger.
Es ist auch so, dass die Qualifikationen, die man sich durch ein solches Amt verschafft, weniger zählen als es früher der Fall war. Jemand wird nicht mehr nur angestellt oder erhält eine bessere Stelle, weil er schon in einer Gemeinde aktiv war. Diese Dinge haben heute an Gewicht verloren.
Die Studie zeigt auch: Die Jungen wollen nicht mehr rund um die Uhr erreichbar sein. Auch keine Sitzungen mehr bis tief in die Nacht. Was wäre der Ansatz um das in den Gemeinden zu ändern?
Die Gemeinden haben einen gewissen Spielraum, was die Organisation der Exekutivtätigkeit anbelangt. Sie können durchaus diese Sitzungen zu anderen Zeiten durchführen. Man hat das auch schon erwähnt, als man versucht hat, mehr Frauen für solche Ämter zu gewinnen.
Dass viele Gemeinden Schwierigkeiten haben, diese Ämter zu besetzen, liegt nicht allein an den Jungen.
Aber: Es gibt auch zahlreiche repräsentative Pflichten. Es gibt zahlreiche Veranstaltungen, wo ein Gemeinderat oder eine Gemeinderätin präsent sein muss. Völlig umgehen kann man das nicht.
Werden es die Gemeinden mit anderen Vorgehensweisen schaffen, dass in Zukunft mehr Junge in Gemeindeexekutiven präsent sein werden?
Ich glaube schon, dass man mehr junge Leute motivieren könnte, sich für ein solches Amt zu interessieren oder sich gar zu engagieren. Aber damit löst man die Probleme der Gemeinden nicht. Es fehlen zu viele Leute.
Dass viele Gemeinden Schwierigkeiten haben, diese Ämter zu besetzen, liegt nämlich nicht allein an den Jungen. Und diese haben natürlich auch andere Dinge, die Ihnen wichtig sind. Sie sind stark gefordert im Berufsleben.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.