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Justizaffäre im Tessin Präsident des Kantonsstrafgerichts Lugano tritt zurück

  • Der umstrittene Präsident des Tessiner Kantonsstrafgerichts Mauro Ermani hat seinen Rücktritt eingereicht.
  • Sein Anwalt bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA entsprechende Medienberichte.

Als Grund für den Rücktritt führte sein Anwalt gesundheitliche Probleme seines Mandanten an. Diese hätten sich in den letzten zwei Wochen verstärkt. Ermani sei es daran gelegen, rasch eine Nachfolgelösung zu ermöglichen.

Mann im Anzug geht Treppe hinunter in modernem Gebäude.
Legende: Der Präsident des Tessiner Kantonstrafgerichts, Mauro Ermani. RSI

Das Tessiner Strafgericht muss derzeit bereits mit zwei Richtern weniger auskommen. Der Grund: Mitte Dezember hatte der Tessiner Justizrat mit sofortiger Wirkung zwei Richter des kantonalen Strafgerichts ihres Amtes enthoben.

Von Vorwürfen entlastet

Die beiden Richter hatten Gerichtspräsident Mauro Ermani unter anderem wegen des Straftatbestands der Pornografie angezeigt. Er soll einer Gerichtssekretärin per Whats-App ein pornografisches Bild geschickt haben. Im September war Ermani jedoch von diesem Vorwurf entlastet worden.

Kurzeinschätzung: Neuanfang ist bitter nötig

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Mann.
Legende: SRF-Tessinkorrespondent Marcel Niedermann SRF

«Ein Strafrichter, der schlüpfrige Bilder verschickt. Eine Strafanzeige zweier Richter gegen ihre Kollegen. Vorwürfe zu Mobbing und Ehrverletzungen im Richtergremium. Das alles lässt die Tessiner Bevölkerung an der Seriosität der Strafrichter zweifeln. Es ist davon auszugehen, dass die Arbeit blockiert wird, wenn sich Richter gegenseitig bekämpfen, statt zusammenarbeiten. Für Beschuldigte, die in Haft auf ihre Gerichtsverhandlung warten, aber auch für alle, die in ein Gerichtsverfahren verwickelt sind, ist das keine gute Situation. Insbesondere, weil es Monate dauert, bis Ersatz für die abgesetzten Richter sowie den zurückgetretenen Vorsitzenden gefunden wird. Die Verfahren ziehen sich wohl in die Länge. 

Justizdirektor Norman Gobbi betont zwar: Das kantonale Strafgericht funktioniere mit den temporär einsetzbaren Ersatzrichtern. Von einem Chaos am Strafgericht zu sprechen, sei übertrieben. Der Fisch stinkt jedoch vom Kopf. Wenn die Führung des Gerichts derart verstritten ist, dann liegt es nahe, dass auch das Klima in der Gerichtsverwaltung nicht kollaborativ ist, wie es auch der Präsident der parlamentarischen Justizkommission, Fiorenzo Dadò andeutet, wenn er von einem «krank machenden Klima» spricht. 

Auch mit dem krankheitsbedingten Rücktritt des vorsitzenden Richters ist die Justizaffäre wohl kaum ausgestanden. Noch sind zwei der fünf Streithähne im Amt. Bleibt zu hoffen, dass sich die Kultur am Strafgericht mit der Neubesetzung der Vakanzen verbessert. Denn unter dem Streit zwischen den Richterinnen und Richter hat das Strafgericht bei der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit und Vertrauen eingebüsst.»

Gleichzeitig wurden die beiden anklagenden Richter vom Tessiner Justizrat per sofort entlassen. Eine solche Anzeige gegen einen Richterkollegen sei inakzeptabel und unvereinbar mit dem Amt eines Magistraten, lautete die Begründung des Aufsichtsgremiums.

Der Gerichtspräsident war aber trotz Entlastung des Pornografievorwurfs noch nicht aus dem Schneider. So lief weiterhin ein Disziplinarverfahren gegen ihn.

SRF 4 News, 7.1.2025, 16 Uhr ; 

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