Sie sei sexistisch und rassistisch beleidigt und beschimpft worden. Dies sagte die Winterthurer SP-Kantonsrätin Sarah Akanji vor einem Jahr. Sie trete nicht mehr zur Wiederwahl an, weil sie sich solchen Hasskommentaren nicht mehr aussetzen möchte.
Meldestelle für Hasskommentare
Sarah Akanjis Schritt an die Öffentlichkeit hat die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) auf den Plan gerufen. Nun lanciert sie ein Pilotprojekt, damit sich Politikerinnen und Politiker besser gegen solche Angriffe wehren können: «Wir müssen gewährleisten, dass Menschen, die sich für ein politisches Amt zur Verfügung stellen, dieses auch ohne Angst um ihre Sicherheit ausüben können», sagt Jacqueline Fehr.
Menschen, die sich für ein politisches Amt zur Verfügung stellen, sollen dieses auch ohne Angst um ihre Sicherheit ausüben können.
Der Kanton Zürich hat eine Website erstellt, worauf Politikerinnen auf Gemeinde- und Kantonsebene Hassnachrichten, Beleidigungen und Drohungen melden können. Betroffene können finanzielle Unterstützung beantragen, um eine Anwältin oder einen Anwalt zu beauftragen. Diese Soforthilfe stellt der Kanton befristet bis Ende Jahr zur Verfügung.
Es gehe dabei nicht um harte Auseinandersetzungen und Diskussionen, betont Jacqueline Fehr. Denen müssten sich die Politikerinnen und Politiker stellen und auch einiges aushalten. «Es geht vielmehr um strafrechtlich relevante Fälle wie Diskriminierungen, Drohungen, Nötigungen oder Gefährdungen von Leib und Leben.»
Auch Akanjis Parteikollegin, die aktuelle Kantonsratspräsidentin Sylvie Matter, hat selber schon beleidigende Emails bekommen. «Aber physische Gewalt wurde mir persönlich nie angedroht, deshalb hielt ich es bisher noch nicht für nötig, juristisch zu reagieren.» Solche Kommentare nähmen den Politikerinnen und Politikern die Freude am Amt, sagt Sylvie Matter, und sie hinderten sie daran, sich wieder für ein Amt zur Verfügung zu stellen.
Die Meldeplattform sei der richtige Weg, weil Betroffene so schnell Hilfe bekämen. Zudem könnte sich die Situation verbessern, wenn konsequent gegen Beleidigungen vorgegangen werde, sagt die Kantonsratspräsidentin.
Umfrage soll Überblick verschaffen
Wie stark verbreitet solche Anfeindungen überhaupt sind, wollen der Kanton, der Kantonsrat und der Verband der Gemeindepräsidien (GPV) mittels einer Umfrage herausfinden. Alle Kantons- und Gemeindeparlamentarierinnen und -parlamentarier können daran teilnehmen.
Seinem Empfinden nach seien Hassmails in den Gemeinden noch kein grosses Thema, sagt der GPV-Präsident Jörg Kündig (FDP): «Aber gerade wenn hochemotionale Themen aufkommen, etwa die Frage nach der Unterbringung von Flüchtlingen, dann kann dies zu Beleidigungen und Beschimpfungen führen.» Die Umfrage sei wichtig, damit sich der Kanton einen Überblick verschaffen könne.