Das Wichtigste in Kürze:
- Politiker von FDP, CVP und SVP wollen mit mehreren Vorstössen das Mietrecht aufweichen.
- Vermieter könnten einfacher höhere Mieten durchsetzen und mehr Rendite erzielen. Der Mieterverband spricht von einem Grossangriff auf die Mieten.
- Im «Kassensturz»-Studio streiten Michael Töngi vom Mieterverband und Hans Egloff vom Hauseigentümerverband.
Es ist der letzte Tag der Herbstsession. Am 29. September 2017 kurz nach 8 Uhr stehen drei Nationalräte an einem Pult gleich neben dem Ratspräsidenten. In diesem Moment nimmt seinen Anfang, was der Mieterverband heute als Grossangriff auf die Mieten bezeichnet.
Drei Vertreter der Immobilien-Lobby reichen beim Generalsekretär des Nationalrats Vorstösse ein, die Zündstoff bergen. Die drei Vorlagen haben einen Zweck: Mehr Spielraum schaffen für die Vermieter, wenn es um die Höhe der Mieten geht.
Erster Vorstoss: Mehr Rendite auf Kosten der Mieter
Olivier Feller, FDP-Nationalrat und Generalsekretär des Westschweizer Hauseigentümerverbands, fordert eine «zeitgemässe Berechnung der zulässigen Rendite im Mietrecht». Im Klartext bedeutet dies: Vermieter sollen mit ihrer Liegenschaft künftig mehr Geld verdienen dürfen.
Heute gilt: Ein Vermieter darf Mieten nur bis zu einer bestimmten Renditegrenze erhöhen. Aktuell orientiert sich die erlaubte Rendite am Referenzzinssatz – heute 1,5 Prozent. Die maximal zulässige Rendite darf diesen um 0,5 Prozent übersteigen. Maximal erlaubt sind aktuell also 2 Prozent Rendite.
Neu soll gelten: Allein der erlaubte Aufschlag soll auf 2 Prozent erhöht werden. Die zulässige Gesamtrendite stiege so auf 3,5 Prozent. Deutlich höhere Mieten wären so zulässig.
Zweiter Vorstoss: Laschere Regeln beim Wohnungsvergleich
Hans Egloff, Zürcher SVP-Nationalrat und Präsident des Schweizer Hauseigentümerverbands, fordert, dass die Miete einer Wohnung in einem Rechtsstreit einfacher mit anderen Wohnungen verglichen werden kann. Vermieter können hohe Mieten damit begründen, dass vergleichbare Wohnungen im Quartier ähnlich teuer seien. Im Streitfall müssen sie dies belegen.
Heute gilt: Für den Vergleich sind fünf Wohnungen nötig. Diese müssen im gleichen Quartier und an ähnlicher Lage sein. Auch Alter, Grösse, Zustand und Ausstattung müssen vergleichbar sein.
Neu soll gelten: Es sollen schon drei vergleichbare Wohnungen ausreichen. Und bei «Ausstattung» und «Zustand» soll nur noch zwischen «einfach», «gut» oder «sehr gut» unterschieden werden. Zudem dürften amtliche oder branchenübliche Statistiken zum Vergleich herangezogen werden.
Dritter Vorstoss: Mieten sollen weniger oft als missbräuchlich gelten
Daniel Fässler, CVP-Nationalrat und Präsident des Lobby-Verbands Immobilien Schweiz, will, dass alle Kriterien gegen missbräuchliche Mieten gleichrangig sind. Die Folge: Mieter hätten es vor Gericht schwerer, sich gegen übersetzte Mieten zu wehren.
Heute gilt: Das wichtigste Kriterium ist die Rendite: Mehr als 2 Prozent Rendite gelten etwa heute als missbräuchlich. Mieter können sich vor Gericht gegen zu hohe Mieten wehren, auch wenn diese quartierüblich sind. Mit dem Argument einer übersetzten Rendite.
Neu soll gelten: Die Rendite soll nicht mehr wichtiger sein als andere Kriterien: Wenn ein Vermieter etwa fünf vergleichbare Wohnungen findet, die belegen, dass die Miete orts- und quartierüblich ist, dann wäre auch die überhöhte Rendite zulässig.
Der Streit ist entbrannt
Die Initianten sagen, die Renditen auf Immobilien müssten steigen, und von flexibleren Regeln würden auch die Mieter profitieren. Der Mieterverband entgegnet, die Mieten stiegen schon seit Jahren trotz sinkenden Kosten für die Eigentümer und die Renditen seien heute schon zu hoch. Die Vorstösse würden das Mietrecht aushebeln.
Der Kampf um die Mieten ist entbrannt, noch bevor die Vorlagen im Parlament diskutiert wurden. Im «Kassensturz» streiten Michael Töngi, Generalsekretär des Mieterverbands und Hans Egloff, SVP-Nationalrat und Präsident des Hauseigentümerverbands.
Mit diesen Vorstössen nimmt man den jetzt schon schwach gestellten Mietern ein wichtiges Instrument aus der Hand.
Für Michael Töngi ist der Fall klar: Die Immobilien-Lobby nutzt die politische Situation aus. «Mit dem Essen kommt der Appetit», meint der Luzerner Politiker von der grünen Partei. «Bereits vorher wurden Vorstösse überwiesen und diese Gelegenheit will die rechtsbürgerliche Mehrheit nun packen.» Mit diesen Vorstössen nehme man den jetzt schon schwach gestellten Mietern ein wichtiges Instrument aus der Hand und gebe den Vermietern die Möglichkeit, die Mietzinsen weiter zu erhöhen. Obschon die Hauseigentümer bereits jetzt viel verdienen würden: «In den letzten zehn Jahren stiegen die Mietzinsen kontinuierlich an, obschon sich der Referenzzinssatz in dieser Zeit halbiert hat», erklärt der Generalsekretär des Mieterverbandes. Die Marge der Vermieter soll nun noch vervierfacht werden.
Bei dieser Rechnung darf nicht nur der Referenzzinssatz berücksichtigt werden. Die Vermieterschaft gibt Milliarden zu Gunsten der Mieter aus.
Hans Egloff entgegnet, dass bei dieser Rechnung nicht nur der Referenzzinssatz berücksichtigt werden dürfe: «Die Vermieterschaft gibt Milliarden zu Gunsten der Mieter aus, für Unterhaltskosten, Investitionen und Sanierungen.» Ausserdem betont er, dass die Vorstösse nicht nur die Situation der Vermieter, sondern auch die der Mieter verbessern würden. Als Beispiel nennt er den Vorstoss zur Orts- und Quartierüblichkeit, der verlangt, dass neu nur noch drei vergleichbare Wohnungen vorgelegt werden müssen: «Wenn Sie als Mieter den Anfangsmietzins anfechten wollen und fünf Objekte vorlegen müssen, scheitern Sie genauso wie der Vermieter.» Vor Bundesgericht auf jeden Fall hätte man noch in keinem Fall eine Orts- und Quartierüblichkeit nachweisen können, so Egloff.