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Kandidierende gesucht Ist der 24-Stunden-Job eines Bundesrats noch zeitgemäss?

Kaum Anwärter auf den Sitz von Viola Amherd: Ist der Job des Bundesrats noch attraktiv genug oder braucht es Reformen?

«Zur Ergänzung des Teams sucht die Mitte-Partei verzweifelt eine Bundesrätin, einen Bundesrat». Mit diesem satirischen Stelleninserat versuchte die Zeitung «Schweiz am Wochenende» der Mitte-Partei unter die Arme zu greifen bei ihrer Suche nach Kandidierenden für die Nachfolge von Viola Amherd. Die Parteileitung kann zwar nun aufatmen, Bauernpräsident Markus Ritter hat seinen Hut in den Ring geworfen. Trotzdem: Die vielen Absagen sind auffällig.

«Jede Kandidatin, jeder Kandidat muss sich die Frage stellen, ob er sein Leben komplett auf den Kopf stellen will», erklärte Fraktionschef Philipp Bregy letzte Woche. Auch er will nicht ins Bundesratsrennen steigen.

Amherd-Nachfolge: Wer noch im Rennen ist und wer nicht

Der Bundesrat ist ein 24-Stunden-Job, die Belastung ist enorm. Das betonte auch Simonetta Sommaruga bei ihrem Rücktritt Ende 2022: «Ich habe diese Intensität, diese permanente zeitliche und innere Präsenz gelebt. Und zwar weil es das aus meiner Sicht braucht für das Amt.»

Neun statt sieben Bundesräte

Für verschiedene Politbeobachter ist deshalb klar: Es braucht eine Reform. «Es gibt zunächst die grösseren Reformansätze, beispielsweise die Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder auf neun oder elf», erklärt etwa Politologie-Professor Adrian Vatter von der Universität Bern.

«Daneben gibt es auch kleinere Reformmöglichkeiten, wie beispielsweise die Schaffung eines Präsidialdepartements», erklärt der Professor, der den Bundesrat seit Jahren beobachtet und analysiert.

Ein Departement für das Bundespräsidium

Vatter hat mit zahlreichen alt Bundesräten über mögliche Reformen gesprochen. «Interessanterweise sind die ehemaligen Bundesräte nicht für die Erhöhung der Bundesratszahl, sondern viel stärker für eine Stärkung des Präsidiums, die Schaffung eines Präsidialdepartements, das mehr Leitung und Steuerung der Regierung übernimmt.»

Er könnte sich ein ähnliches System vorstellen, wie es einige Kantone hätten, mit einem Regierungspräsidenten oder in grossen Städten mit dem Stadtpräsidium, so Vatter. Der Vorsteher oder die Vorsteherin dieses neuen Departements würde die Leitung übernehmen, beispielsweise für zwei Jahre.

Persönliche Mitarbeitende, Staatssekretariate und stärkere Bundeskanzlei

Ob gross oder klein, die meisten Reformen sind bisher gescheitert. Gelungen sind nur Mini-Reformen, wie die Einführung von Staatssekretariaten oder von persönlichen Mitarbeitenden. Beides Massnahmen, welche die Bundesratsmitglieder entlasten sollen. Auch die Stärkung der Bundeskanzlei gehört zu diesen eher kleinen Reformen.

Das Schweizer System ist auf Stabilität ausgerichtet, deshalb haben es grosse Reformen schwer. «Wir sind mit dieser politischen Stabilität in den letzten knapp 180 Jahren gut gefahren», erklärt Vatter. Das habe uns Wohlstand gebracht und die Bürgerinnen und Bürger wollen keine Experimente, so der Politologie-Professor.

Doch ohne Reformen kommt der Job im Bundesrat für eine Gruppe von Politikern immer weniger infrage: für Leute in der Lebensmitte mit Kindern.

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Tagesschau, 27.1.25, 19:30 Uhr

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