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Kanton Bern als Gradmesser? Sozialpolitiker aller Couleurs wittern Morgenluft

Das knappe Nein zu Sozialhilfekürzung im Kanton Bern beflügelt die Fantasien der Politiker – von links bis rechts.

Der scheidende Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) ist erleichtert. Die Berner hätten ihm ein «Super-Abschiedsgeschenk», sagt er und geht gleichzeitig davon aus, dass damit die Kürzungsdiskussionen in allen Kantonen etwas zurückgedrängt wurden.

Skos-Präsident Felix Wolffers:
Legende: Skos-Präsident Felix Wolffers sieht im Berner Resultat eine gewisse Signalwirkung. Keystone/Archiv

Auch der Präsident der Konferenz der Sozialdirektoren (SODK), der St. Galler Regierungsrat Martin Klöti, zeigt sich froh, dass das Volk es nicht zugelassen hat, dass Bern als erster Kanton bei der Fürsorge die Skos-Richtlinien unterschreitet: Das entspanne die Situation in der Schweiz, habe man doch 2016 die Skos-Richtlinien so abgestimmt. Nun sei diese kantonale Harmonisierung wieder festgezimmert worden.

Widerspruch aus Aargau und Baselbiet

Ganz anders sieht es die Aargauer SVP-Grossrätin Martina Bircher. Die Aarburger Sozialvorsteherin hat zwei Vorstösse eingereicht, welche die Skos-Richtlinien deutlich unterschreiten. Die genauere Analyse des Berner Resultats sei doch eher ermutigend, den das knappe Nein sei nur dank der rot-grünen Stadt Bern zustande gekommen. Im ländlich konservativen Kanton Aargau habe man keine vergleichbar grossen, linken Städte, so Bircher.

Auch im Kanton Basel-Land sind identische Sozialhilfekürzungsvorstösse bei der Verwaltung hängig. Und auch die SVP Baselbiet ist überzeugt, dass man eine allfällige Volksabstimmung gewinnen werde. Man sei eben auch ein ländlich geprägter Kanton.

Chancen für Aargauer Kürzungsvorstösse?

So einfach sei das nicht, sagt Politgeograf Michael Hermann. Baselland habe zwar keine Kernstadt. Trotzdem sei der Kanton sehr stark durch die Agglomeration geprägt und traditionell eher links orientiert. Entsprechend sei ein ähnliches Resultat wie in Bern zu erwarten.

Anders der Kanton Aargau. Auch wenn der Mittellandkanton in letzter Zeit etwas nach links gerutscht sei, sei er deutlich konservativer als Bern oder das Baselbiet, so Hermann: «Deshalb sind dort die Chancen für Sozialhilfekürzungen am grössten.»

Zeitpunkt für landesweit einheitliche Politik?

Die GLP hält so oder so wenig von kantonalen Alleingängen. Die Grundsätze der Sozialhilfe müssten einheitlich geregelt werden, hält sie in einer Mitteilung fest. Sie verweist auf einen GLP-Vorstoss, der die Sozialhilfe mit einem nationalen Gesetz harmonisieren will.

Auch die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker hält den Zeitpunkt jetzt für günstig, dieses Thema wieder aufs nationale Parkett zu hieven. Mit dem Kanton Bern habe immerhin ein wichtiger und grosser Kanton demonstriert, dass das Niveau behalten werden soll. Dies könne auch zugunsten einer eidgenössischen Lösung herangezogen werden anstelle von kantonalen Alleingängen.

Klage Ansage von Skos- und SODK-Spitze

Damit ein nationales Sozialhilfe-Rahmengesetz aber überhaupt Chancen hat, müssten auch CVP und FDP an Bord geholt werden. Sie werden aber kaum mithelfen.

SODK-Präsident Martin Klöti
Legende: SODK-Präsident Martin Klöti: «Das entspannt die Lage. Der 2016 gemeinsam vereinbarte Ansatz ist bestätigt worden.» Keystone/Archiv

Sowohl der designierte neue Skos-Präsident, der liberale Christoph Eymann, wie auch der freisinnige SODK-Präsident Klöti haben nach dem Berner Entscheid unmissverständlich festgehalten, dass man mit den Skos-Richtlinien bereits zu einer nationalen Harmonisierung beigetragen habe, am föderalen Sozialhilfesystem wolle man nichts ändern.

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