Covid-Impfung ohne Voranmeldung und ohne Termin. Solche Walk-in-Impfungen bieten mittlerweile viele Kantone an. Sie hoffen, damit die noch Unentschlossenen auf möglichst tiefer Schwelle abholen zu können.
Diese Überlegung steht auch hinter dem neuen Walk-In-Impfzentrum in Appenzell Innerrhoden, dem Kanton mit der aktuell tiefsten Impfquote der Schweiz.
«Stressfrei und dann erledigt»
Kurz nach 17 Uhr in Appenzell stehen bei Regenwetter rund 20 Personen in der Schlange vor dem Impfzentrum und warten auf die schnelle, unkomplizierte Spritze: Ein Mann will sich das dauernde Testen im Ausgang und beim Reisen künftig ersparen. Nun komme man wohl nicht mehr drum rum, einen indirekten Zwang gebe es bereits, begründet eine späte Impfwillige den Schritt.
Ein anderer Wartender wiederum begrüsst, dass es hier «stressfrei geht und dann erledigt ist». Eine jüngere Frau erzählt nach einer Auslandsreise vom mühsamen und langen Warten beim Testen. Ein weiterer Spätentschlossener sagt: «Ich dachte mir, dass zuerst jene gehen sollen, die es nötig haben.»
Wir haben das Gefühl, dass man irgendwann nicht mehr drum herum kommt. Es gibt schon jetzt einen indirekten Zwang.
Bereits die zweite Woche in Folge bietet der Kanton Appenzell Innerrhoden eine solche Walk-In Impfung an. Gedacht war das Angebot ursprünglich für Leute mit wenig Sprachkenntnis oder ohne Internet-Zugang, wie der stellvertretende Kantonsarzt Markus Schmidli erklärt.
Naturverbunden, zäh, skeptisch
Die Impfquote in Appenzell Innerrhoden ist die tiefste der Schweiz. Auf die gesamte Bevölkerung gerechnet haben erst knapp 40 Prozent die erste Impfung erhalten. Auf der Strasse in Appenzell sind die Beweggründe gegen eine Impfung ähnlich wie im Unterland: Man wisse zu wenig über Nebenwirkungen und Langzeitfolgen, man sei noch jung.
Dazu kommt aber noch eine weitere Erklärung: Der Appenzeller sei ein sehr naturverbundener Mensch und gehe nicht oft zum Doktor, sagt eine Passantin. «Ich habe schon das Gefühl, dass wir zäh sind und noch auf Hausmittelchen setzen», betont eine andere.
Der Appenzeller ist ein sehr naturverbundener Mensch und geht nicht oft zum Doktor.
Ein anderer Passant sagt es gerade heraus: «Man geht einfach nicht gern zum Doktor, wenn man nicht unbedingt muss.» Eine weitere Frau findet, man sollte dies halt auch «ein bisschen durchstehen».
Schulmedizin und Tradition
Diese Haltung kennt die Innerrhoder Gesundheitsdirektorin Monika Rüegg-Bless. Impfskepsis gebe es hier schon lange: «Der Innerrhoder und die Innerrhoderin setzen schon viele Jahre oder Jahrhunderte nicht nur auf die Schulmedizin, sondern auch auf die Natur und das Gebetsheilen. Da gibt es eine Tradition. Das Impfen wird der Schulmedizin zugeschrieben, und da ist man eher zurückhaltend.»
Der Innerrhoder und die Innerrhoderin setzen schon viele Jahrhunderte nicht nur auf die Schulmedizin, sondern auch auf die Natur und das Gebetsheilen.
Gut sei die Covid-Durchimpfung bei den Personen über 80 und auch erfreulich seien die ersten Zahlen der Walk-In-Impfung, konstatiert der stellvertretende Kantonsarzt Schmidli. Gut 40 Personen hatten das Angebot am ersten Abend genutzt. Das sind umgerechnet 0.2 Prozent der Innerrhoder Bevölkerung. Am zweiten Termin sind fast 80 Personen gekommen.
Meinungen gemacht – Hoffnung bleibt
Laut Schmidli geht jetzt auch nicht mehr um die grosse Menge, denn die Meinungen seien gemacht: «Wir wissen aus Befragungen, dass etwa drei bis fünf Prozent der Bevölkerung noch nicht entschieden haben. Um diese geht es. Wenn es uns gelingt, diese zu mobilisieren, dann haben wir gewonnen.»
Wenn es uns gelingt, die drei bis fünf Prozent Unentschiedenen zu mobilisieren, haben wir gewonnen.
Der Kanton habe den Auftrag, eine niederschwellige Impfung zur Verfügung zu stellen, sagt Schmidli. Die Entscheidung liege dann bei jedem und jeder Einzelnen persönlich. Vorerst bleibt das Angebot der Walk-In-Impfung in Appenzell bis Ende August bestehen. Der Kanton hat die Walk-in-Termine ausgeweitet auf mehrere Abende die Woche.