Das grösste Spital des Mittellandes ist in finanzieller Schieflage. Die Situation ist so prekär, dass das Kantonsspital Aarau (KSA) beim Kanton Aargau um finanzielle Hilfe bitten muss. Der Kanton soll einspringen, weil ansonsten die Überschuldung droht.
Dass das Spital nun ein Hilfegesuch an den Kanton stellt, hat mit einer Überprüfung der Werte in der Buchhaltung zu tun. Dies hatte die Revisionsstelle des KSA verlangt. Das Resultat: das Spital muss 240 Millionen Franken abschreiben. Da das Eigenkapital aber nur 250 Millionen Franken beträgt, braucht das KSA finanzielle Unterstützung. Ansonsten droht der finanzielle Kollaps.
Knackpunkt Neubau
An einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz sprach der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati von einer «unangenehmen Nachricht». Dass das Kantonsspital in eine finanzielle Schieflage geraten könnte, war immer wieder ein Thema. Die Höhe der nötigen Finanzhilfe kennt aber auch die Regierung erst seit dieser Woche.
Dass sich die Lage nun zugespitzt hat, hat gemäss Kantonsspital und Kantonsregierung mehrere Gründe:
- Dem Kantonsspital Aarau fehlen viele Pflegefachkräfte. Deshalb sind 17 Prozent der stationären Betten aktuell geschlossen. Dies führt zu Ertragsausfällen.
- Die Spitaltarife und damit die Regelung, wie viel ein Spital für welche Dienstleistung erhält, wurden noch nicht der aktuellen Teuerung angepasst. Die Kosten muss das Spital aber schon heute tragen.
- In den letzten Jahren konnte das Kantonsspital kein finanzielles Polster aufbauen, die Geschäftsergebnisse waren nicht zufriedenstellend.
- Schliesslich macht dem KSA auch die Teuerung auf dem Bau zu schaffen.
Der letzte Punkt stellt sich denn auch als Knackpunkt heraus. Denn das Kantonsspital baut aktuell einen grossen Neubau, der über 500 Millionen Franken kostet. Ob sich das Spital diesen Neubau finanziell leisten kann, wurde mehrfach hinterfragt.
2019 wurde – auf Drängen der Aargauer Regierung – ein externes Gutachten zu dieser Frage erstellt. Dieses kam zum Schluss kam, dass sich das KSA den Neubau leisten könne. Allerdings wurde schon damals gewarnt, dass dies nur zutreffe, wenn sich viele Parameter gut entwickeln.
Dass nun der Kanton bei seinem grössten Spital finanziell einspringen muss, könnte für das Spital noch weitere Konsequenzen haben. Gesundheitsdirektor Gallati kritisiert den Verwaltungsrat des Kantonsspitals. Er sagt: «Der Regierungsrat ist der Meinung, dass die Strategie falsch ist».
Der Verwaltungsrat sei für die Strategie des Spitals verantwortlich. Diese müsse der Verwaltungsrat jetzt analysieren und anpassen. Personelle Konsequenzen könnte es ebenfalls noch geben. Allerdings wählt die Aargauer Regierung eben diesen Verwaltungsrat. Kritik an der Arbeit der Regierung will Gallati aber nicht gelten lassen.
«Wir nehmen schon sehr viel Einfluss, mehr dürfen wir vom Gesetz her gar nicht», verteidigt sich der Gesundheitsdirektor. Er verweist dabei vor allem auf die vielen Gespräche, die zwischen Regierung und Verwaltungsrat stattfänden, viel mehr Gespräche als bei anderen, vergleichbaren Firmen.
Das Gesuch des Kantonsspitals will Gallati jetzt prüfen und bis im Frühling eine Vorlage für das Kantonsparlament erarbeiten lassen. Dieses soll im Sommer 23 grünes Licht für die Finanzspritze geben.