Die Waadt wird seit elf Jahren von einer Frauenmehrheit regiert. Das ist kein Zufall. Zwar gibt es auch in der Deutschschweiz Regierungen mit einem hohen Frauenanteil, aber je weiter man in den Westen geht, desto weiblicher werden die Regierungen.
«Ich glaube, dass sich die Mentalitäten ändern. Genf und die Waadt sind zwei grosse Kantone. Die Frauen holen sich ihren Platz. Das freut mich», erklärt Nathalie Fontanet, Staatsrätin des Kantons Genf (FDP). Genf wird neu ebenfalls von einer Frauenmehrheit regiert.
Amtskollegin Nuria Gorrite (SP) aus der Waadt stimmt zu. «Seit elf Jahren wird die Waadt von einer Frauenmehrheit regiert. Wir sehen, dass es nicht schlechter läuft als zu Zeiten, in denen nur Männer regiert haben.»
Ohne Quoten zur Frauenmehrheit
Die beiden Frauen stehen im politischen Zentrum der beiden grössten Kantone der Romandie, die von einer Frauenmehrheit regiert werden. Nathalie Fontanet ist eine von vier Frauen, die den Sprung in die siebenköpfige Regierung geschafft haben. «Wir haben die Frauenmehrheit in Genf ohne Quoten geschafft. Die Frauen wurden gewählt, weil sie kompetent sind. Ihre Parteien haben sie nominiert und gewählt. Das wird junge Frauen dazu anregen, sich für Politik zu interessieren.»
Nuria Gorrite ist eine von fünf Frauen, die den Kanton Waadt neben zwei Männern regieren – einen solchen Frauenanteil gab es in der Schweiz noch nie. «Die linken Parteien räumen den Frauen am meisten Platz ein auf den Listen. Sie fördern die Frauen. Themen wie Gleichstellung von Mann und Frau hat die SP in ihrer DNA. Ich hoffe aber, dass man heute Politiker oder Politikerin sein kann unabhängig vom Geschlecht.»
Frauenkandidaturen sind ein Trumpf
Generell zeigt der Blick auf die Schweizer Karte, dass neben den Kantonen Genf und Waadt auch die rein französischsprachigen Kantone Neuenburg und Jura einen über 40-prozentigen Frauenanteil kennen.
Auch in der Deutschschweiz gibt es Regierungen mit mehr Frauen als Männern – Zürich und Solothurn etwa. Im Mai wählte die Luzerner Bevölkerung zwei Frauen neu in die Regierung. Dies, nachdem der Kanton die letzten zehn Jahre von Männern regiert wurde.
Bei den Wahlen ist es ein Vorteil, gute Frauen zu haben. Das ist kein Problem mehr.
Es gibt aber noch immer Kantone ohne Frauen: der Aargau, Uri oder das Wallis. Das sei kein Zufall, sagt der Politologe Pascal Sciarini von der Universität Genf. Historisch seien die linken Parteien in der Romandie stark, weshalb dort bereits mehr Frauen in den Regierungen vertreten seien. Das habe bürgerliche Parteien dazu motiviert, sich um Frauenkandidaturen zu bemühen. «Bei den Wahlen ist es ein Vorteil, gute Frauen zu haben. Das ist kein Problem mehr. Im Gegenteil, Frauen sind ein Trumpf und bringen Stimmen», so der Politologe.
Die politische Wahrnehmung der Frauen wird aber nicht nur vom Röstigraben oder Stadt versus Land beeinflusst. Generell zeigte sich die Romandie schon immer offener gegenüber Frauen in der Politik. 1968 – also noch vor Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts auf Bundesebene 1971 – wählte Genf Lise Girardin zur ersten Stadtpräsidentin. Damals konnte sie national noch nicht einmal wählen. «Genf hat schon immer eine Pionierrolle eingenommen und soziale Themen in den Vordergrund gestellt», sagt Nathalie Fontanet.
Die Romandie scheint also sensibler und offener gegenüber sozialen Fragen und damit auch gegenüber Frauen an den Machthebeln der Politik zu sein. Die Politik dürfte sich dadurch nicht grundlegend verändern. Sie bekommt aber eine neue Dynamik.