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Zug soll eine Gedenkstätte für die Opfer der Hexenprozesse errichten
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 22.03.2024. Bild: Eidgenössische Chronik von Diebold Schillling / Korporation Luzern
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Kantonale Gedenkstätte Lebendig verbrannt: Zug soll Opfer von Hexenprozessen gedenken

Bis ins 18. Jahrhundert wurden auch hierzulande Tausende von Unschuldigen auf grausamste Weise getötet. In Zug soll eine Gedenkstätte an ihr Schicksal erinnern.

Am 7. August 1737 trat die 16-jährige Katharina Kalbacher vor den Zuger Ammann und zeigte sich selbst an. Sie gestand, Hexerei betrieben zu haben. Was folgte, war eine regelrechte Hysterie. Während ihres Verhörs bezichtigte Kalbacher rund 20 weitere Menschen der Hexerei.

Infolgedessen wurden viele von ihnen von den Behörden verhört, gefoltert und bei lebendigem Leibe verbrannt. Katharina Kalbacher selbst wurde bei der Zuger Schutzengel-Kapelle mit dem Schwert hingerichtet.

Kapelle
Legende: Die Zuger Richtstätte befand sich bei der Schutzengel-Kapelle, die noch heute steht. ZVG/Maria Greco

Es war der letzte Hexenprozess des Kantons. Kalbacher teilte das Schicksal von über 200 Zugerinnen und Zugern, die in den rund 180 Jahren davor Opfer von Hexenprozessen wurden. Schweizweit waren es laut einer groben Schätzung etwa 10'000 Personen – die grosse Mehrheit davon Frauen. Die Obrigkeit warf ihnen vor, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, Hagelwetter auszulösen, Menschen krankzumachen oder Vieh verderben zu lassen.

Gedenkstätten in anderen Kantonen

Bei der Zuger Schutzengel-Kapelle erinnert heute lediglich ein schlichtes Eisenkreuz mit Plakette daran, dass der Ort früher als Richtstätte genutzt wurde. Die vielen Hexenprozesse sind nicht erwähnt.

Ich hoffe fest auf diese Gedenkstätte, sie würde an all die Menschen erinnern, die für nichts hingerichtet wurden.
Autor: Maria Greco Theaterautorin und Initiantin

Das könnte sich jetzt ändern: Der Zuger Kantonsrat hat einen Vorstoss überwiesen, der eine Gedenkstätte für die Opfer der Hexenprozesse verlangt. Nun muss sich die Regierung damit beschäftigen.

Mann auf wird Scheiterhaufen verbrannt
Legende: Eine Szene aus den Aufzeichnungen des Zürcher Pfarrers Johann Jakob Wick: «Am 28. Mai 1586 wurde ein in Frauenkleidern als Barbara Brunner auftretender Mann in Lenzburg verbrannt.» Zentralbibliothek Zürich

Die Idee für eine Zuger Gedenkstätte geht zurück auf die Zuger Theaterautorin Maria Greco. Seit zwei Jahren bietet sie Stadtrundgänge mit Fokus auf die Zuger Hexenprozesse an. «Ich hoffe fest auf diese Gedenkstätte», sagt sie, «sie würde an all die Menschen erinnern, die für nichts hingerichtet wurden.» Im Kanton Glarus zum Beispiel gibt es bereits eine Gedenkstätte, in Luzern ist eine in Bearbeitung.

Wohnen, wo früher gefoltert wurde

Nebst vielen Frauen seien auch Männer betroffen gewesen – und teilweise sogar Kinder. Greco hat für ihren Stadtrundgang historische Quellen studiert und liest auf der Tour daraus vor. Besonders ruhig würden die Besucherinnen und Besucher jeweils, wenn sie Namen von Hingerichteten und ihr Todesdatum vorlese. Zum Beispiel: «1648: Michel Murers Kind, ‹Effli› genannt, 8 Jahre alt, geköpft.»

Eindruck mache auch die Station beim sogenannten «Cheibenturm» in der Zuger Altstadt, in dem die vermeintlichen Hexen gefoltert und verhört wurden. «Man hängte sie etwa mit den Armen an eine Seilwinde und zog sie hoch. An den Beinen befestigte man immer schwerere Steine, bis die Arme auskugelten.»

Alte Illustration Frau wird gefoltert
Legende: Auch diese Folterszene von 1577 stammt aus den Aufzeichnungen von Johann Jakob Wick. Seine Sammlung wird auch «Wickiana» genannt. Gelebt hat er von 1522 bis 1588. Zentralbibliothek Zürich

Im Cheibenturm befinden sich heute Eigentumswohnungen. Dies lasse sie erschaudern, sagt Greco: «Mit dem Wissen darum, was da oben passiert ist, läuft es mir kalt den Rücken runter. Ich könnte nicht hier wohnen.»

Opfer: arm und weiblich

Eine Gedenkstätte würde helfen, dass dieses dunkle Kapitel Zuger Geschichte nicht vergessen gehe. «Es brauchte damals nicht viel für eine Anklage», sagt die Kulturschaffende. Für alles Unerklärliche habe man nach Schuldigen gesucht. «Die Opfer waren dann oft Leute aus der Unterschicht, die sich nicht ge­sellschafts­konform verhielten. Die konnten sich nicht wehren.» Daraus könne man doch auch Lehren für die heutige Zeit ziehen.

Das sagt der Experte zu solchen Denkmälern

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Legende: Der Schweizer Historiker Georg Kreis im Jahr 2014. Keystone/Gaetan Bally

Der Historiker Georg Kreis, emeritierter Professor an der Universität Basel, hat viel über Erinnerungskultur geforscht. Er begrüsst es grundsätzlich, dass im öffentlichen Raum an früheres Unrecht erinnert wird. Er mahnt aber: «Es gibt das Paradox, dass es in vielen Fällen nichts Unsichtbareres gibt als Denkmäler. Man gewöhnt sich an sie, fährt an ihnen vorbei und beachtet sie nicht.»

Darum seien Gedenkstätten alleine noch keine Garantie, dass eine Gesellschaft auch ein Bewusstsein entwickle für das Unrecht der Hexenprozesse. Sie müssten vielmehr regelmässig bespielt werden: «Zum Beispiel mit zusätzlichen Gedenkritualen wie Jahrestagen, mit geführten Besuchsprogrammen oder mit Kommentaren in sozialen Medien.»

Regionaljournal Zentralschweiz, 20.03.2024, 17:30 Uhr ; 

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