Die spanische Botschaft in Bern beobachtet katalanische Aktivisten in der Schweiz. Das haben Recherchen des Sonntagsblick ergeben. Demnach sammeln Botschaftsmitarbeiter aktiv Informationen über Personen in der Schweiz, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzen.
Die Zeitung beruft sich auf vertrauliche Rapporte der spanischen Botschaft in Bern und des spanischen Generalkonsulats in Genf. Dort sammle man Informationen und leite sie an das spanische Aussenministerium weiter. Ein Grossteil der Informationen basiere auf öffentlich zugänglichen Quellen und Anlässen wie Podiumsdiskussionen.
Das ganz normale Geschäft der Diplomatie?
Solche Beobachtungen mögen politisch heikel erscheinen, sie gehörten aber zum ganz normalen Geschäft der Diplomatie, sagt Paul Widmer gegenüber SRF News. Gemäss den Wiener Konventionen über die diplomatischen Beziehungen sei jedes Land berechtigt, über die Vorgänge im Residenzland des Botschafters zu berichten. «Dazu gehört auch, über die eigenen Landsleute zu berichten», so der ehemalige Diplomat.
Neben spanischen Bürgerinnen und Bürgern soll auch der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard beobachtet worden sein. Er präsidiert die parlamentarische Freundschaftsgruppe Schweiz-Katalonien. Für die Schweiz kein Problem? «Nein. Ein Politiker äussert sich öffentlich. Und über das, was er in der Öffentlichkeit äussert, darf die Botschaft auch berichten.» Eine Grenze würde für Widmer dort kommen, wo die Privatsphäre einer Person missachtet wird.
Personal ist Sache der Botschaft
Laut «Sonntagsblick» haben die Verantwortlichen auch Unterstützung vom spanischen Geheimdienst angefordert. Wurde da eine Grenze überschritten? Einer Botschaft sei es freigestellt, wie sie das Personal zusammensetzt, sagt Widmer. Dazu könnten also auch Geheimdienstleute gehören.
Es wäre sogar eine Vernachlässigung der Pflicht, wenn Diplomaten nicht über die eigenen Landsleute berichten würden.
Auch Schweizer Botschaften würden über ihre Landsleute berichten, das gehöre dazu. «Es wäre sogar eine Vernachlässigung der Pflicht, wenn man nicht darüber berichten würde. Selbstverständlich nur über das, was sie im Lichte der Öffentlichkeit tun.»
Es stelle sich im Prinzip immer die Frage, mit welchen Mitteln die Informationen zusammengesucht werden. «Die Grenze ist immer dort, wo man sich nicht an die Gesetze des Landes hält, in welchem man sich befindet», sagt Widmer.