Haus um Haus entsteht in Niederbipp BE. Den Bauboom befeuern grosse Schweizer Immobilienunternehmen - und dies bringt viele Gemeinden in Schieflage.
Denn das Wachstum kostet oftmals mehr Geld, als es einbringt. Umso mehr, wenn Altlasten dazukommen. «Unsere Infrastruktur wurde in den letzten Jahren vernachlässigt. Dazu kommen grosse Sachen wie den Ausbau der Schule. Dort sprengt es uns alle Nähte», erklärt die Gemeindepräsidentin von Niederbipp, Sibylle Schönmann (SVP).
Planlos eingezont
Das Problem: Vor zehn Jahren hat die Ortschaft am Jurasüdfuss grosszügig Bauland eingezont. Und die Folgen zu wenig bedacht. Jährlich sind 100 bis 150 Personen zugezogen. Nun leben statt rund 4000 über gut 5300 Personen in der Gemeinde.
Aber längst nicht alle Zuzügerinnen und Zuzüger sind gute Steuerzahlende. «Wir haben auch gute Steuerzahler. Aber das steuerbare Einkommen und Vermögen pro Kopf ist grundsätzlich deutlich gesunken. Die Leute arbeiten oft nur noch Teilzeit und investieren lieber, als Vermögen anzuhäufen», führt Schönmann aus.
Den Preis bezahlt die Bevölkerung: Niederbipp hat eine Steuererhöhung beschlossen, um die stetig steigenden Kosten decken zu können.
Gemeinden planen Steuererhöhungen
Ein höherer Steuerfuss droht auch dem 5000-Seelen-Städtchen Huttwil. Der Ort hat mittlerweile 500 Einwohnerinnen und Einwohner mehr als noch vor zehn Jahren. Die Gemeinde kämpft jedoch mit den negativen Folgen der Baubooms.
Viele Häuser und Wohnungen stehen weiterhin leer. Unter dem Schlagwort «Huttwilisierung der Schweiz» steht der Ort mittlerweile als nationales Negativbeispiel für die überbordende Bautätigkeit. Nun prüft auch Huttwil für das Budget 2023 eine Steuererhöhung.
Noch drastischer ist die Lage in Köniz BE. Die Berner Vorortsgemeinde mit über 42'000 Einwohnenden verzeichnete in den letzten zehn Jahren ein Wachstum von über acht Prozent. Die Finanzen sind aus dem Ruder gelaufen. Köniz braucht dringend Geld. Etwa für den Schulraum. Und das Wachstum ist nicht zu bremsen. In der dritten Abstimmung muss das Volk im Juni einer Steuererhöhung zustimmen. Sonst kommt Köniz unter Zwangsverwaltung des Kantons.
Bevölkerung wehrt sich
In Niederbipp ist derweil Gemeindepräsidentin Schönmann an allen Fronten gefragt. Denn bei der Bevölkerung wächst der Unmut über die ausufernde Bautätigkeit, obschon die Leerstände nicht so dramatisch wie in Huttwil sind. 700 Personen haben eine Petition «für ein lebenswertes Dorf mit einer sorgfältigen Entwicklungsplanung» unterschrieben.
Konkret fordern die Petitionäre «einen Marschhalt in der Bewilligungspraxis für grosse Bauprojekte». Nicht nur wegen der steigenden Kosten: Das Strassennetz im Dorf sei zu wenig ausgebaut und damit die Sicherheit der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet. Mit der schleichenden Zubetonierung drohe nichts weniger als der Verkehrskollaps.