Die Kehrtwende ist bemerkenswert. Noch 2017 wollte das Departement der damaligen Bundesrätin Doris Leuthard den Grenzwert zum Beispiel für Glyphosat markant erhöhen. Sie wollte eine 3600-fach höhere Konzentration erlauben und das mitten in der Diskussion, ob Glyphosat Krebs fördere oder nicht. In der Vernehmlassung fiel die geplante Erhöhung der Grenzwerte denn auch mehrheitlich durch. Jetzt zieht der Bund die Konsequenzen.
Dabei steht nicht in erster Linie das Trinkwasser im Vordergrund, sondern die Wasserqualität allgemein, sagt Stephan Müller, Leiter der Abteilung Wasser im Bundesamt für Umwelt: «Viele unserer Aktivitäten führen zur Belastung der Gewässer durch Chemikalien. Davon betroffen sind vor allem Wasserlebewesen wie Insekten oder Krebse. Sie kommen in stärker belasteten Gewässern gar nicht mehr vor.»
Stoffe, bei denen der Grenzwert überschritten wird
Deshalb werden nun die Grenzwerte bei besonders problematischen Stoffen, das sind vor allem Insektizide, aber auch Medikamente wie Antibiotika und Wirkstoffe in Schmerzmitteln wie Voltaren verschärft. «Wir fokussieren auf diejenigen Stoffe, von denen wir wissen, dass es Überschreitungen gibt und dass sie reduziert werden müssen. Bei den anderen gilt weiterhin ein Grenzwert von 0.1 Mikrogramm pro Liter mit dem Signal, dass man auch diese Chemikalien nicht im Gewässer will.»
Franziska Herren, Initiantin der Trinkwasserinitiative, begrüsst die verschärften Grenzwerte. Sie und auch die Umweltschutzorganisation Pro Natura kritisieren aber, dass in der Verordnung zwischen Gewässern, die direkt der Trinkwasserentnahme dienen und anderen unterschieden wird. Bei normalen Bächen, Flüssen und Seen, werden die Grenzwerte für 14 Stoffe sogar erhöht. Das gehe gar nicht, findet Herren: «Wir lehnen ab, dass die Grenzwerte für gewisse Pestizide in Gewässern, die aktuell nicht zur Trinkwassergewinnung gebraucht werden, erhöht werden sollen.»
Beim Trinkwasser gehen ihr auch die neuen Vorschriften nicht weit genug: «Wir konsumieren Wasser, das nicht dem Lebensmittelgesetz entspricht. Darum braucht es eine pestizidfreie Produktion. Diese will die Trinkwasser-Initiative fördern.»
Ein Rückzug der Trinkwasser-Initiative stehe nicht zur Diskussion. Das Ziel bleibe pestizidfreies Trinkwasser.
Bauernverband begrüsst die Verordnung
Positive Signale kommen vom Schweizer Bauernverband. Die neue Verordnung sei ein Schritt in die richtige Richtung, findet David Brugger, Leiter Geschäftsbereich Pflanzenbau beim Bauernverband: «Es ist gut, dass man wegkommt von diesen sturen 0.1 Mikrogramm Einheitswert pro Liter hin zu wissenschaftlich begründeten Qualitätskriterien. Man schaut genau hin, welcher Stoff ein Problem ist und welcher nicht.»
Unmittelbare Auswirkungen auf die Landwirtschaft habe die neue Verordnung keine, glaubt Brugger, mittelfristig aber möglicherweise schon: «Gerade bei Insektiziden, die eine deutliche Verschärfung erfahren, kann es zu Verboten führen. Es wäre ein Problem, wenn die Kulturen nicht mehr ausreichend geschützt werden könnten.»
Verbote aber seien das letzte Mittel, heisst es im Bundesamt für Umwelt.