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Kein Schutz vor Trickbetrüger Wenn die Bank den Gaunern in die Hände spielt

Das Wichtigste in Kürze

  • 18'500 Franken für einen Tag Arbeit rund ums Haus verlangte ein deutscher Betrüger von einer an Alzheimer erkrankten Frau.
  • Die Raiffeisen-Bank händigt ihr das Geld aus – obwohl der Sohn der geprellten Kundin die Bank über die Erkrankung seiner Mutter informierte und eine Auszahlungssperre für Beträge über 1000 Franken verlangte.
  • Die Bank machte intern einen Vermerk beim Konto der Frau. Und zahlte dann trotzdem ohne Rücksprache den vollen Betrag.
  • Raiffeisen zeigt sich erst kulant, als sich «Kassensturz» einschaltet.

Seit dem Tod ihres Mannes lebt die an Alzheimer erkrankte L.B. allein im Haus. Die Hausarbeit erledigt sie zwar noch immer selber. Im Garten aber braucht sie Hilfe. Diesen Umstand nutzte ein Trickbetrüger skrupellos aus. Für die angebliche Entfernung von Moos auf dem Dach, die Reinigung der Terrasse oder das schlechte Verfugen der Pflastersteine in der Einfahrt verlangte er 18'500 Franken in bar. Die Rechnung stellte eine Firma «Haus & Garten Service Böhmer» aus dem norddeutschen Bottrop aus.

Der vermeintliche Handwerker fährt die Seniorin selber zur Raiffeisen-Bank im Dorf. Die horrende Rechnung in der Hand, bittet L.B. das Schalterpersonal um Auszahlung des Betrages. «Sie gab mir das Geld, alles in 100er Noten», erinnert sie sich. Im Auto übergibt L.B. dem Mann das Geld. Für ihren Sohn B.B. ist klar: «Für mich ist das Betrug, absoluter Betrug.» Genau davor wollte er seine bald 80-jährige Mutter eigentlich schützen.

Experten-Chat

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Vier Experten haben im Chat Fragen zum Thema Erwachsenenschutz beantwortet. Hier geht es zum Protokoll .

Auszahlung – trotz Schutzmassnahme

Vor zwei Jahren ging B.B. zur Raiffeisen-Bank und informierte das Personal über die Alzheimer-Erkrankung seiner Mutter. Er erkundigte sich nach einer geeigneten Massnahme, um das Konto seiner Mutter zu schützen.

«Die Bank hat mir vorgeschlagen, einen Vermerk auf dem Konto meiner Mutter zu machen, damit nur Beträge bis maximal 1000 Franken ausbezahlt werden.» Trotzdem zahlte die Raiffeisen ohne Rückfrage 18'500 Franken in bar aus. Völlig unverständlich für B.B.: «Ich habe etwas mit der Bank abgemacht, und sie hat das dann nicht eingehalten».

Er beschwert sich bei der Raiffeisen-Bank und fordert Schadensersatz, jedoch vergeblich. Die Raiffeisen schreibt ihm: «Beim Erfassen eines solchen Vermerkes machen wir Kunden darauf aufmerksam, dass es sich um einen «Hinweis» handelt, und dass die Kundin ohne Verbeiständung sich jederzeit darüber hinwegsetzen kann.» Hätte man ihm gesagt, dass dieser Vermerk unverbindlich ist, so hätte er sich nicht darauf eingelassen.

L.B. in ihrer Wohnung
Legende: L.B. weiss heute, dass sie falsch gehandelt hat. SRF

«Raiffeisen hätte die Auszahlung verweigern müssen»

Walter Boente von der Universität Lausanne befasst sich mit den Rechtsfragen, die auftauchen, wenn Menschen ihre Urteilsfähigkeit verlieren. Im Fall von L.B. kommt der Experte für Erwachsenenschutz zum Schluss, dass die Bank ihre Sorgfaltspflicht nicht erfüllt hat: «Sie hätte die Auszahlung verweigern müssen.»

Grundsätzlich sei eine Bank nicht dazu verpflichtet, zu überprüfen, ob vernünftig ist, was Kunden mit ihrem Geld vorhaben, sagt der Jurist. Hier sei es aber offensichtlich, dass es sich um betrügerisches Verhalten gehandelt habe.

Wir nehmen diesen Fall zum Anlass, eine praktikable Lösung für alle Beteiligten auszuarbeiten.
Autor: Raiffeisen

«Die Bank hatte Kenntnis von der Diagnose Alzheimer, von der getroffenen Schutzmassnahme und zudem lag ihr eine Rechnung vor mit deutlichen Anhaltspunkten für betrügerisches Verhalten», so Boente.

Raiffeisen arbeitet an Lösungen in ähnlichen Fällen

Aufgrund der «Kassensturz»-Recherchen geht die Raiffeisen schliesslich nochmals über die Bücher. Sie schreibt «Kassensturz»: «Im vorliegenden Fall kann der betroffenen Raiffeisenbank kein Fehler in der Beratung angelastet werden. Raiffeisen bedauert aber die tragischen Umstände in diesem Einzelfall und kommt kulanterweise vollumfänglich für den entstandenen Schaden in Höhe von 18‘500 Franken auf.»

Der vorliegende Sachverhalt betreffe die gesamte Bankenbranche und führe immer wieder zu menschlich heiklen Situationen. «Wir nehmen diesen Fall zum Anlass, eine praktikable Lösung für alle Beteiligten auszuarbeiten.» L.B. hat mittlerweile die Verwaltung ihres Kontos an ihre Kinder übertragen. Damit hat sie ein Stück Selbstbestimmung aufgegeben.

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