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«Keine 10-Millionen-Schweiz» Kann der Bundesrat die Zuwanderungsinitiative so bodigen?

Der Bundesrat will der SVP-Initiative den Wind aus den Segeln nehmen. Die Parteien reagieren unterkühlt auf das Massnahmenpaket.

Bereits im November hatte SP-Bundesrat Beat Jans einen Versuch unternommen – damals mit einem deutlich sozialeren Touch: Er wollte die Akzeptanz für die Zuwanderung verbessern, zum Beispiel mit höheren Familienzulagen.

Doch der Gesamtbundesrat liess ihn auflaufen. Auch der Gewerbeverband stellte sich offenbar quer. Jans erhielt vom Bundesrat den Auftrag mit auf den Weg, stärker auf Verschärfungen im Asylbereich zu setzen. Das tut er nun: «Der Bundesrat will die Anzahl der Asylgesuche reduzieren und die Verfahren beschleunigen», sagte Jans vor den Medien in Bern.

Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» kurz erklärt

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Die Initiative fordert, dass die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz vor dem Jahr 2050 zehn Millionen nicht überschreiten darf. Danach soll der Bundesrat aufgrund des Geburtenüberschusses eine Limite setzen.

Wohnen vor 2050 9.5 Millionen Menschen im Land, müssten Bundesrat und Parlament Massnahmen ergreifen. Etwa dürften vorläufig Aufgenommene dann keine Niederlassungsbewilligung mehr erhalten und auch nicht mehr eingebürgert werden. Auch der Familiennachzug soll in diesem Fall eingeschränkt werden.

Internationale Abkommen, die zu einem Wachstum der Bevölkerung führen, müsste die Schweiz mit Blick auf Ausnahme- oder Schutzklausel neu aushandeln. Reicht das alles nicht, um den Grenzwert einzuhalten, muss die Schweiz als Notbremse letztlich das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen.

Konkret prüft der Bundesrat, ob Menschen ohne Chance auf Asyl vom eigentlichen Asylverfahren ausgeschlossen werden könnten. Und gezielter und regelmässiger als heute sollen die Behörden untersuchen, ob vorläufig aufgenommene Menschen nicht doch in ihre Heimat zurückkehren können.

Weniger kontrovers sind Massnahmen, damit mehr Menschen einen Job finden, die bereits in der Schweiz sind: mehr Unterstützung etwa für gut qualifizierte ausländische Frauen, die über den Familiennachzug ins Land gekommen sind.

Beat Jans
Legende: «Die Unternehmen sollen weniger Arbeitskräfte aus dem Ausland holen und die, die schon hier sind, besser einsetzen», sagte Jans. Keystone/Peter Klauner

Zusätzlich schlägt der Bundesrat mehr Einschränkungen für Ausländer vor, die Immobilien in der Schweiz kaufen. Als einzige soziale Massnahme übrig geblieben sind mehr Gelder für den gemeinnützigen Wohnungsbau.

Kritik von links wie rechts

Entsprechend kritisch reagieren Gewerkschaften und Linke. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth stören vor allem die Asylmassnahmen: «Das Asylrecht in vorauseilendem Gehorsam weiter einzuschränken, bringt wenig. Und das ist auch keine ehrliche Politik.»

Auch die SVP ist unzufrieden, denn die Asylmassnahmen gehen ihr zu wenig weit. Der Bundesrat, so die SVP, schlage keine Lösungen vor. An ihrer Initiative gegen die «10-Millionen-Schweiz» hält die Partei fest.

Genügt das Massnahmenbündel des Bundesrats, um der Initiative den Wind aus den Segeln nehmen? Bundesrat Jans spricht von einem «soliden Paket, das von allen Sozialpartnern getragen wird und konkrete Resultate verspricht.»

Der politische Konjunktiv

Doch kaum jemand reagiert zufrieden: Die FDP drängt auf konsequentere Asylmassnahmen. Und für Mitte-Präsident Gerhard Pfister sind die Schritte insgesamt zu unverbindlich: «Jetzt wurden Massnahmen angekündigt, die man prüfen will. Es ist aber völlig offen, ob sie zum Zeitpunkt der Volksabstimmung beschlossen sind.»

Tatsächlich «prüft» der Bundesrat viele der Massnahmen erst. Das ist in Bundesbern politischer Konjunktiv. Mitte-Präsident Pfister reicht das nicht: Er will im Parlament einen Gegenvorschlag zur SVP-Initiative einbringen. Abzielen soll er auf den zahlenmässig wichtigsten Teil der Zuwanderung – nämlich die Zuwanderung aus der EU: «Es braucht einen direkten Gegenvorschlag, der es Bund und Kantonen ermöglicht, die Einwanderung spezifisch in bestimmten Regionen und Branchen zu dämpfen, wenn sie überdurchschnittlich ist.»

Politstrategen bringen sich in Stellung

Die Schutzklausel gegen zu viel Zuwanderung, die die Schweiz jüngst mit der EU ausgehandelt hat, geht in eine ähnliche Richtung. Sie genüge aber nicht, so Pfister. Ein direkter Gegenvorschlag würde die Zuwanderungsbremse in die Verfassung schreiben. Pfister ist der Ansicht, dass sie damit unangreifbar wäre für die EU.

Die SVP-Initiative kommt im Frühling ins Parlament. Dann schlägt die Stunde der Polit-Strateginnen und -Strategen.

Echo der Zeit, 29.01.2025, 18 Uhr

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