Sobald es eindunkelt, ist die Zeit für Einschleichdiebstähle perfekt. Solche hat es in letzter Zeit im Berner Seeland vermehrt gegeben. Das bestätigt der Gemeindepräsident von Lyss, Andreas Hegg (FDP).
Die Täter sind keine Unbekannten. Immer wieder sind es abgewiesene Asylsuchende, die im Bundesasylzentrum Kappelen bei Lyss auf ihre Ausschaffung warten. In der Zwischenzeit werden sie kriminell. Bestrafen kann man sie nicht wirklich – die eigentliche Bestrafung wäre eine Ausweisung, doch die ist gerade bei Nordafrikanern oft nicht möglich, zum Beispiel bei jenen aus Algerien.
Das war nicht immer so, sagt Hegg. «Wir hatten jetzt 18 Jahre lang ein Durchgangszentrum für Asylsuchende hier in Lyss. Nie war das ein Problem. Jetzt haben wir ein Bundesasylzentrum und plötzlich gibts Ärger.»
Grund für den Wechsel ist die Umstellung des Bundes: 2019 beschloss er, die Asylverfahren zu beschleunigen. Früher wurden Asylsuchende, die auf einen Bescheid warten, den Kantonen zugeteilt. Heute kommen sie in Bundesasylzentren, wo sie das Verfahren durchlaufen und auf ihren Asylentscheid warten.
«Rund die Hälfte der Leute im Bundesasylzentrum Lyss hat bereits einen negativen Asylentscheid erhalten», so der Gemeindepräsident. Weil Ausschaffungen schwierig seien, seien sie zum Warten und Nichtstun verbannt.
Niemand unternimmt etwas. Die Polizei ist ohnmächtig.
Dass sich die Fälle von Einbruchdiebstählen im Seeland im November und Dezember gehäuft haben, bestätigen mehrere Quellen aus dem Umfeld der Strafverfolgung.
Keine Angst
Oft hätten die jungen Männer, die von der Polizei erwischt werden, keine Ausweise. Sie behaupten jeweils, sie seien minderjährig – um Jugendstrafrecht geltend zu machen. Sie hätten keine Angst vor den Strafverfolgungsbehörden, heisst es von den entsprechenden Stellen.
Das Problem in Lyss ist kein Problem einer einzelnen Gemeinde. Auch im Kanton Freiburg beim Bundesasylzentrum Guglera häufen sich die Probleme, bestätigt der Oberamtsmann des Sensebezirkes, Manfred Raemy. Auch aus dem Kanton Neuenburg gab es im Herbst entsprechende Berichte.
Man habe Probleme rund um alle Bundesasylzentren der Schweiz, in allen sechs Asylregionen, bestätigt Lukas Rieder, Sprecher des Staatssekretariats für Migration SEM.
Keine Perspektive
Der Verein Medina kümmert sich in der Stadt Bern um Asylsuchende, Sans Papier und Obdachlose. Dabei kommt man ins Gespräch – hört die Nöte und Sorgen der Menschen. Eine, die zuhört, ist Dragana Draca.
Wenn man kein Geld hat, wird man kriminell.
Seitdem die Asylgesetzgebung verschärft wurde, gebe es mehr Kriminalität, so Draca. Im Kanton Bern bekommen abgewiesene Asylsuchende 8 Franken am Tag.
Sie will die Diebstähle nicht rechtfertigen – aber: «Es gibt viele Überlebensdiebstähle.» Also Diebstähle, um überhaupt etwas zu essen zu haben. «Wenn man kein Geld hat, wird man kriminell. Das ist einfache Mathematik.» Und wer keine Aussicht auf eine Zukunft habe, habe auch nichts zu verlieren.
Lösung?
Eine Lösung zu finden sei schwierig, so Lukas Rieder vom SEM. Er betont: «In der Schweiz sind Asylzentren keine Gefängnisse.»
Was man bereits mehrmals getan habe, ist, kriminelle Asylsuchende nach einer Tat in ein anderes Zentrum zu verlegen – so will das SEM Gruppendynamiken aufbrechen.
Dem Lysser Gemeindepräsidenten reicht das jedoch nicht. «Leute, die man erwischt hat, darf man nicht einfach von einem Zentrum ins andere verschieben. So gibt es einfach an einem anderen Ort wieder Einbrüche. Der Bund muss jetzt endlich handeln.»