Mord soll in der Schweiz nicht mehr verjähren, fordert der Nationalrat. Ermittlerinnen und Ermittler freut dieser Entscheid. Zu ihnen gehört auch der Leitende Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich, Beat Oppliger.
SRF News: Sollten schwere Verbrechen wie Mord tatsächlich nicht mehr verjähren in der Schweiz?
Beat Oppliger: Es gibt tatsächlich gute Gründe, bei schweren Verbrechen auf die Verjährung zu verzichten. Deshalb begrüsse ich den Entscheid des Nationalrats. Die Kriminaltechnik hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht – man denke an die DNA-Analysen. Deshalb können bei entsprechender Spurenlage heute auch länger zurückliegende Taten aufgeklärt werden.
Der Volksmund sagt: «Die Zeit heilt alle Wunden». Gilt das bei Mord auch?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es für die Hinterbliebenen von Mordopfern überaus wichtig ist, dass der Fall irgendeinmal aufgeklärt werden kann. Deshalb gilt der von Ihnen erwähnte Grundsatz bei solchen Kapitalverbrechen nicht.
‹Zeit heilt alle Wunden› gilt bei Mord nicht.
Hilft bei lange zurückliegenden Kapitalverbrechen die neuste Technik allein weiter? Oder sind Sie auch da beispielsweise auf Zeugen angewiesen?
In der Tat sind wir auch auf andere Spuren und Zeugenaussagen angewiesen. Insofern könnten jetzt auch Hoffnungen bestehen, die nicht erfüllt werden können. Denn DNA-Spuren allein führen kaum zu einer Verurteilung wegen Mord. Dazu braucht es sehr viel mehr.
Bei Sexualstrafen an Kindern gilt die Unverjährbarkeit bereits. Ist es deshalb nicht logisch, dass auch Mord unverjährbar wird?
Das ist in meinen Augen tatsächlich das Hauptargument für die Streichung der Verjährung bei Mord. Wenn schon Sexualdelikte an Kindern unter zwölf Jahren unverjährbar sind, sollte auch das Kapitalverbrechen Mord gleich behandelt werden.
Eine Anpassung von Mord an die Regeln bei sexuellen Handlungen mit Kindern ist sinnvoll.
Derzeit verjährt Mord in der Schweiz nach 30 Jahren – anders als in einigen europäischen Ländern. Wieso fährt die Schweiz in der Sache bisher ein Sonderzüglein?
Das hat vor allem historische Gründe. Als das Schweizer Strafgesetzbuch 1942 eingeführt wurde, gab es noch keine Unverjährbarkeitsbestimmungen. Sie sind erst mit der Zeit eingeführt worden. Und jetzt ist es an der Zeit, Mord unter dieselbe Kategorie zu stellen wie die erwähnten sexuellen Handlungen an Kindern. Deutschland kennt die Unverjährbarkeit bei Mord bereits. Deshalb ist es sinnvoll, dass auch die Schweiz ihr Gesetz entsprechend anpasst.
Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.