Die Berner Justizdirektorin Evi Allemann reagiert erstaunt auf die Recherchen der «Rundschau» und spricht Klartext: «Der Kanton hat ein Handbuch erarbeitet und da steht klar, dass eine Mitfinanzierung durch die Industrie nicht sinnvoll ist.» Allemann kritisiert damit die Region Biel/Seeland und ihre Fachkonferenz für Kiesgruben: Der Kiesverband bezahlt im Berner Seeland die Hälfte der Kommissionskosten. Und sitzt gleichzeitig auch stimmberechtigt mit am Tisch. Brisant: Das Gremium erarbeitet den regionalen Richtplan und legt auf Jahre hinaus fest, wo Kies abgebaut werden kann.
Filzvorwurf der Kiesgrubengegner
Im kleinen Seeländer Bauerndorf Walperswil will der regionale Kiesbaron Hurni AG eine bestehende Grube massiv erweitern. Die Gegner des Projekts fühlen sich benachteiligt: «Der Chef der Hurni AG sitzt persönlich am Sitzungstisch, wenn diskutiert wird, wo er in Zukunft Geld verdienen will.» Das gehe gar nicht, kritisiert Kiesgruben-Gegner Franz Ehrler. Auch die Mitfinanzierung der Kommission durch die Kiesindustrie empört ihn: «Wer zahlt, befiehlt!», so Ehrler.
Die Kiesbranche finanziert die zuständige Kommisssion
Beim eigenen Projekt gelte Ausstandspflicht, verteidigt Madeleine Deckert von der Region Biel/Bienne das Regime. Das Gremium verantwortet die regionale Planung. Präsidentin Deckert: «Wir pflegen einen partnerschaftlichen Ansatz», die Region könne voll hinter der Planung stehen, so die Präsidentin. Auch bei der kritisierten Teilfinanzierung der Kommission sieht Deckert kein Problem. Die Unabhängigkeit sei garantiert.
Die Hurni AG wollte sich gegenüber der «Rundschau» nicht äussern. Doch die Kommission im Berner Seeland ist nicht die einzige mit fragwürdigen Regeln. Recherchen der «Rundschau» fördern auch in der Region Bern-Mittelland Auffälligkeiten zutage.
Mächtige Firmengruppe dominiert wichtiges Gremium
In der Region Bern-Mittelland berät eine «Arbeitsgruppe» die regionalen Behörden in Sachen Kiesabbau. Die «Rundschau» weiss dank eines Insidertipps, welche Firmen die Branche vertreten: Zwei Sitze werden durch die mächtige Alluvia-Gruppe besetzt. Der dritte Sitz durch eine Firma, an der die Alluvia beteiligt ist. Auch hier redet Raumplanungsdirektorin Evi Allemann Klartext: «Die Zusammensetzung der Delegation erscheint mir als nicht genügend ausgewogen. Ich würde sehr empfehlen, diese Zusammensetzung zu überdenken.
Der Berner Kieskönig spricht von «einem Zufall»
Alluvia-Chef Gerd Aufdenblatten sitzt höchstpersönlich in der Arbeitsgruppe. «Ich bin gewählter Vertreter des Kiesverbandes. Und nicht Firmenvertreter der Alluvia.» Deshalb gebe es da kein Problem. Er übe die Tätigkeit im Interesse der ganzen Branche aus. Laut Aufdenblatten ist die Zusammensetzung der beratenden Arbeitsgruppe «Zufall» und habe sich so ergeben.
Die Weko ermittelt nach Millionenbusse weiter
Seit 2015 steht die Berner Kiesbranche unter Kartellverdacht. Die Weko hat 2019 in einem ersten Verfahren die Alluvia-Gruppe und das Unternehmen Kästli zu einer Rekordbusse von 22 Millionen Franken verurteilt. Dieses Verfahren ist zurzeit am Bundesverwaltungsgericht hängig. Die Weko wollte sich zu den Recherchen der «Rundschau» nicht äussern.