Samuel* hat mit 13 Jahren den ersten Joint geraucht. «Es war Neugier», sagt er. «Von meinen Skater-Freunden haben damals fast alle gekifft». Zwei Jahre später waren es bis zu sieben Joints pro Tag. Er habe fast nur noch im Bett liegen können. Andere Suchtmittel kamen hinzu.
Heute vier Jahre später muss Samuel mühsam wieder lernen seinen Alltag zu regeln. Er ist im Entzug in der Privatklinik «Clienia» im Kanton Thurgau. «Ich dachte damals Gras sei harmlos, ein natürliches Kraut, das aus dem Boden wächst. Für mich war das Intensivkiffen jedoch sehr schädlich», so Samuel im Gespräch mit der «Rundschau». Ein extremes Beispiel, aber kein Einzelfall.
Bei entsprechender Veranlagung kann das Kiffen auch Psychosen auslösen
Laut einer internationalen Schülerbefragung liegt der Cannabis-Konsum in der Schweiz weit über dem internationalen Durchschnitt. Nur in Frankreich und Tschechien wird mehr gekifft. Gemäss einer Erhebung des Bundesamts für Gesundheit ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Substanz in der Schweiz. Mehr als ein Drittel der Personen ab 15 Jahren haben schon mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert.
Auslöser für Psychosen
Was viele Jungkiffer nicht wissen: Übermässiger Cannabiskonsum kann laut Studien das Gehirn in der Wachstumsphase schädigen. Laut Studien, die allerdings auch wissenschaftlich umstritten sind, kann Cannabis bei Jugendlichen das Gehirn nachhaltig schädigen – bis hin zu Psychosen.
Experten warnen vor den Folgen übermässigen Cannabis-Konsums. Oliver Bilke-Hentsch leitet die Klinik Somosa in Winterthur, eine Einrichtung, die in der Schweiz junge Kiffer mit psychischen Störungen therapiert. «Wir machen uns Sorgen um die Risikogruppe bei den kiffenden Teenagern», sagt Bilke-Hentsch. 10 Prozent der Jugendlichen, die kiffen, könnten Probleme bekommen.
«Bei entsprechender Veranlagung kann das Kiffen auch Psychosen auslösen», sagt auch Boris Quednow, Drogenexperte der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Wichtige Hirnareale betroffen
Jugendpsychiater und Suchtexperte Lars Wöckel zeigt auf, welche Gehirnareale durch exzessiven Cannabiskonsums tangiert werden können: «Es sind unter anderem die Bereiche für Gedächtnisleistungen sowie zur Generierung von Emotionen betroffen.»
Weil das Gehirn sich noch im Wachstum befinde, könne das Kiffen bei Jugendlichen Schäden verursachen.
Öffnung im Trend
Trotz der Risiken geht der internationale Trend in Richtung Legalisierung oder Liberalisierung des Cannabis-Konsums. In verschiedenen US-Bundesstaaten, in Kanada und in Uruguay dürfen Erwachsene legal Hanf beziehen und konsumieren.
Bewegung in der Liberalisierungs-Frage könnte auch in der Schweiz durch eine neue Hanf-Initiative kommen. Diese soll politisch breiter abgestützt werden. Es ist aber noch unklar, ob die Initiative überhaupt und in welchem Rahmen kommt, wie die IG Hanf auf Anfrage erklärt. Gespräche mit verschiedenen Vertretern aus Politik und Gesundheit seien im Gang.
An den Gesprächen nimmt auch BDP-Nationalrat und Landwirt Heinz Siegenthaler teil. Siegenthaler, der auch Hanf legal anpflanzt, macht sich für eine Hanf-Liberalisierung stark. «Ich möchte eine klare Regelung, wie man mit Hanf umgeht.
Ein Verbot hat bis heute nichts gebracht. Prohibition ist völlig wirkungslos.» Was klar sei, bei einer Öffnung müsse der Jugendschutz an oberster Stelle stehen. Hanf dürfe für Jugendliche auch dann nicht frei zugänglich sein, so Siegenthaler.
Die letzte Hanf-Initiative ist 2008 mit 63 Prozent Nein-Stimmen gescheitert.
* Name von der Redaktion geändert.