Heiraten in einer Kirche zu Orgelklängen und mit festlichen Gästen: Diese Vorstellung einer Hochzeit teilen längst nicht mehr alle. Die Zahl der «klassisch» kirchlichen römisch-katholischen und reformierten Trauungen nimmt seit mehreren Jahren ab. Dies gilt auch für andere kirchliche Rituale wie Taufen oder Beerdigungen. Der Trend geht einher mit der Zunahme jener Personen ohne Kirchenzugehörigkeit.
Nun reagiert die Reformierte Kirche Aargau und lanciert als erste Schweizer Landeskirche ein neues Angebot: Auf einer Website können sich Pfarrerinnen und Pfarrer vorstellen und ihre Dienstleistungen anbieten. Diese reichen von Hochzeiten über Taufen und Jubiläumsfeiern bis zu Beerdigungen. Die Angebote richten sich an alle – egal, ob reformiertes Kirchenmitglied oder konfessionslos. Gestartet wird im Frühling 2022, getestet wird zwei Jahre lang.
Auf der Seite sollen sich die Pfarrpersonen präsentieren und charakterisieren, erklärt Frank Worbs, Kommunikationsleiter der Aargauer Reformierten. Das gehe von der Musik – Klassik oder Rock'n'Roll – bis zu den Texten – Goethe oder Rap. Das Stichwort ist Individualität.
Wie finde ich meine Pfarrerin im Internet?
Als Grund für die Aktion sagt Worbs: «Junge Leute, die nach einer Taufe oder einer Trauung suchen, rufen nicht mehr bei ihrem Ortspfarramt an. Sie wissen ja nicht einmal mehr, in welcher Kirchgemeinde sie sind. Sie suchen im Internet, finden dabei aber in der Regel nicht das entsprechende Angebot ihrer Kirche.» Man müsse aufhören, die Kirche vom Ort abhängig zu machen, sondern die eigenen Angebote im Internet gut präsentieren.
Ein weiterer Grund sind laut Worbs die Teilzeitpensen. Viele Pfarrer und Pfarrerinnen würden nur 60 oder 70 Prozent arbeiten und daneben privat Ritualbegleitungen anbieten. Die neue Plattform soll diese bündeln.
Steigende Nachfrage nach freien Ritualen
Im Unterschied zu komplett freien Ritualen bleibe bei der reformierten Kirche der göttliche Segen zentral, so Frank Worbs. Freie Hochzeitsrednerinnen oder Trauerredner bieten Zeremonien ohne religiöse Hintergründe an. Dabei stehe der Mensch mit seinen individuellen Werten und Vorstellungen im Zentrum. «An einer Abdankungsfeier lese ich keine Bibeltexte vor. Ich erzähle aber, was diesen Menschen und sein Leben ausgezeichnet hat», sagt etwa Astrid Steiner. Die Badenerin bietet seit über zehn Jahren Hochzeits- oder Abschiedszeremonien an.
Sie habe festgestellt, dass die Nachfrage nach nicht-kirchlichen, individuellen Zeremonien in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sei. Eine Konkurrenz sieht sie im Online-Angebot der Reformierten Kirche Aargau aber nicht. Ihre Kundschaft entscheide sich bewusst für Rituale ohne religiöse Hintergründe.
Keine Konkurrenz für Katholiken
Auch die Römisch-Katholische Landeskirche des Kantons Aargau sieht keine Probleme. Die Sakramente der katholischen Kirche folgten klaren Strukturen, welche die Mitglieder bei Zeremonien auch so erwarteten, meint Kirchenratspräsident Luc Humbel. In diesem sakramentalen Bereich sei man kompetent. Für alles andere hätten die katholischen Seelsorger die Kompetenzen nicht, es sei ein anderes Geschäft. Trotzdem verfolge man die Idee der reformierten Kirche interessiert.
Diskussionslos kam das moderne Angebot der Reformierten Kirche Aargau aber nicht zustande. Intern gebe es kontroverse Diskussionen, sagt Kommunikationsleiter Frank Worbs. Einige Pfarrerinnen und Pfarrer seien darum absichtlich nicht bei der neuen Online-Plattform dabei.