Das Wichtigste in Kürze
- Das gestern angenommene Energiegesetz sieht eine Reduktion des Energiebedarfs von Gebäuden vor. Ausserdem soll der CO2-Austoss verringert werden.
- Über eine klimafreundliche und energieeffiziente Heizung verfügt in der Schweiz bisher nur etwa ein Viertel der Wohngebäude.
- Die kantonalen Unterschiede sind gross. In Westschweizer Kantonen zum Beispiel setzen sich klimafreundliche Heizungen nur langsam durch – ländliche Kantone schwingen oben aus.
Die Ausgangslage: Gebäude sind für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und einen Drittel der CO2-Emissionen in der Schweiz verantwortlich. Schuld daran ist – neben schlechter Isolation – auch die Verbreitung von fossil betriebenen Heizungen und Elektroheizungen. Seit 2010 können Hauseigentümer im Rahmen des Gebäudeprogramms Fördergelder für energetische Sanierungen beantragen. Auch der Austausch fossiler und elektrischer Heizungen wird in den meisten Kantonen subventioniert.
Das ändert sich nun: Das am Sonntag angenommene Energiegesetz soll dafür sorgen, dass das bis 2019 befristete Programm weitergeführt und finanziell aufgestockt wird – um bis zu 150 Millionen Franken jährlich.
Es besteht offenbar Bedarf: Wie eine Auswertung von SRF Data zeigt, ist der Sanierungsbedarf bei Heizungen hoch. In den meisten Kantonen kommt maximal ein Drittel der Wohngebäude ohne fossile oder elektrische Heizung aus. Seit 2009 ist ihr Anteil gesamtschweizerisch jedoch um 4.4 Prozentpunkte gestiegen – von 21.9 auf 26.3 Prozent. Alle Kantone konnten einen Zuwachs verzeichnen – und doch gibt es heute beträchtliche Unterschiede.
Ländliche Kantone haben die Nase vorn, zum Beispiel Appenzell Innerrhoden. Dort ist der Anteil klimafreundlicher Heizungen seit 2009 von 45 auf 51 Prozent angestiegen. Auffallend ist die hohe Verbreitung von Holzheizungen im Kanton: In 34 Prozent der Wohngebäude wird mit Holz geheizt. Auch in Uri und Obwalden – ebenfalls Kantone mit einem hohen Anteil Holzheizungen – verfügt über 40 Prozent der Gebäude über klimafreundliche Heizungen.
Das sagt der Experte: Hansruedi Kunz ist Abteilungsleiter Energie beim Kanton Zürich und Präsident der Schweizer Energiefachstellenkonferenz. Er erklärt den Vorsprung von ländlichen Kantonen mit einem höheren Anteil an Einfamilienhäusern. Die vielen Holzheizungen fänden sich vor allem in Bauernhäusern. In Städten dagegen sei es schwieriger und teurer, von einer Öl- oder Gasheizung auf eine klimaneutrale zu wechseln, deshalb sei der Anteil dort tiefer. Oft sei der Anreiz für Mehrfamilienhaus-Eigentümer eher klein, das Heizungssystem zu wechseln.
Schlusslicht Westschweiz. Bezeichnend für diesen Sachverhalt ist der Stadtkanton Genf. Nur sechs Prozent der Wohngebäude verfügen dort über eine klimafreundliche Heizung. Im Kanton wird vorwiegend mit Öl oder Gas geheizt, zumal es kein städtisches Fernwärmenetz gibt. Dennoch: Bei Sanierungen wird oft eine Öl- durch eine klimafreundlichere Gasheizung ersetzt. Das kann laut Hansruedi Kunz unter Umständen in Tonnen CO2 gemessen einen grösseren Effekt haben, als wenn einzelne Einfamilienhäuser zum Beispiel eine Holzheizung einbauen.
Aufholbedarf besteht aber auch in den Kantonen Neuenburg und Waadt, wo der Anteil Wohngebäude mit klimafreundlichen Heizungen jeweils bei lediglich rund 15 Prozent liegt. Auffallend: Zusammen mit Genf haben diese beiden Kantone der gestrigen Vorlage am stärksten zugestimmt. In der Waadt stimmten 73.5 Prozent Ja, in Genf 72.5, in Neuenburg rund 70 Prozent.
Wieso sind die Anteile in der Westschweiz so tief? Jacqueline de Quattro (FDP), Regierungsrätin im Kanton Waadt und Vizepräsidentin der Energiedirektorenkonferenz, sagt dazu: Der Kanton Waadt habe in der Tat einen Spätstart hingelegt, sei seit 2009 jedoch etwa im gesamtschweizerischen Mittel gewachsen. Seit drei Jahren gelte zudem ein fortschrittliches kantonales Energiegesetz, das insbesondere bei Neubauten einen gewissen Anteil erneuerbarer Energien voraussetzt. Im Parlament werde demnächst ein Verbot von Elektroheizungen diskutiert. Über die Gründe für den Verzug kann auch Hansruedi Kunz von der Energiefachstellenkonferenz nur mutmassen. Da die Region wirtschaftlich eher schwach aufgestellt sei, könnten sich wohl viele Leute eine Renovation gar nicht leisten.
Ist mit dem neuen Energiegesetz nun Besserung in Sicht? Wie die Sendung «10vor10» berichtete , wurden die 300 Millionen Franken Fördergelder des Gebäudeprogramms bisher trotz grossem Potenzial nicht ausgeschöpft. Aus dem Zwischenbericht 2010-2014 geht hervor, dass dieses Problem in erster Linie den Programmteil mit den Heizungssanierungen betrifft. Als mögliche Ursache nennt der Bericht unter anderem zu tiefe Fördersätze. Er empfiehlt, diese zu erhöhen – so dass renovierungswillige Hauseigentümer also einen grösseren Batzen erhalten. Ob dies nach der Annahme des Energiegesetzes geschehen wird, ist schwer abzuschätzen – und liegt in der Entscheidungsgewalt der Kantone.