Marie-Claire Graf kommt erschöpft im Radiostudio an; zwei Tage dauerte die Zuggreise von Glasgow in die Schweiz. Als die meisten Vertreterinnen und Vertreter der 196 Länder, die am UNO-Weltklimagipfel teilgenommen hatten, schon längst zu Hause waren, tuckerte Marie-Claire Graf noch immer im Zug Richtung Heimat. «Die Klimakonferenz war anstrengend und die lange Reise erschöpfend», sagt die junge Klimaaktivistin. Sie hatte an der Weltkonferenz teilgenommen in ihrer Funktion als UNO-Botschafterin für die Jugend.
Ich glaube an die Kraft der Menschen.
Dass die Klimakonferenz nicht den erhofften Durchbruch gebracht habe, enttäuscht Graf auch Tage danach noch. Dennoch seien sowohl das Treffen als auch die Proteste für mehr Klimaschutz wichtig gewesen. «Ich glaube an die Kraft der Menschen», sagt Graf und erklärt: «Wenn viele Menschen zusammen kommen, um den Wandel vorwärtszutreiben, dann nützt das etwas. Das ist meine persönliche Motivation.» Deshalb habe sie 2018 zusammen mit andern den ersten Klimastreik in der Schweiz mitorganisiert.
Um vorwärtszukommen, brauche es Streiks und Verhandlungen genauso wie den Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen, ist Graf überzeugt. Die einen machen innerhalb der Verhandlungen Druck, die andern machen das ausserhalb von Verhandlungen, ist sie überzeugt – und das sei gut so. Sich von einzelnen Gruppen distanzieren will sie nicht.
Die Schweiz macht zu wenig.
Die Rolle ihrer Heimat sieht Graf indessen kritisch. «Die Schweiz macht zu wenig.» Besser sehe es in den einzelnen Regionen des Landes aus, sagt Graf und lobt auch gleich ihre Heimatstadt: «Basel hat als erste Stadt ausserhalb des angelsächsischen Raums die Klimakrise anerkannt.»
Oft kämen Veränderungen «von unten, von der Strasse» – also von der Bevölkerung, nicht der Regierung. Und sowieso könne an Konferenzen viel beschlossen werden – umgesetzt werde der Umweltschutz aber in den Städten und den Regionen, mit den Menschen, die dort leben. Und so gibt es auch etwas, was Graf in Glasgow besonders gefallen hat: den Zusammenschluss von mehr als 1000 Städten, die sich verpflichtet haben, den Klimaschutz voranzutreiben.
Graf will keine «Schweizer Greta Thunberg» sein
Das Engagement für das Klima und die Wahl zur UNO-Botschafterin hat Marie-Claire Graf den Übernamen «Greta Thunberg der Schweiz» eingebracht. Graf wehrt sich aber gegen diesen Übernamen. Von der berühmten Klimaaktivistin Greta Thunberg wolle sie sich zwar nicht distanzieren, sagt Graf. Sie habe vor einigen Jahren mit der international bekannten Schülerin geredet und mit ihr gestreikt. Dennoch möge sie keinen Personenkult, wie er um einzelne Menschen wie beispielsweise Greta geschehe. «Einzelne Menschen sind verletzlich.»
Viel wichtiger, als sich auf einzelne Ikonen zu konzentrieren, sei es, sich als politische Bewegung international zu vernetzen und mit andern Gruppierungen auszutauschen.