Die Grünen sind europaweit im Aufwind. Die Europawahl zeigt es. Auf den Schweizer Strassen demonstrieren Jugendliche für mehr Klimaschutz. In den Kantonen haben die Grünen so viele Sitze gewonnen wie keine andere Partei. Champagner gab es an der Medienkonferenz der Grünen trotzdem keinen: «Sie merken, dass ich gut gelaunt bin. Aber es soll Unglück bringen, vor der erledigten Arbeit anzustossen», so Fraktionspräsident Balthasar Glättli.
Ein halbes Jahr vor den nächsten Wahlen zog Glättli Bilanz über die letzten vier Jahre, und die fällt durchzogen aus. «Einerseits feierten wir grosse Erfolge wie bei der Energiestrategie 2050, die wir mit unserer Atomausstiegsinitiative angestossen haben.» Daneben habe es aber auch viel rückwärtsgewandte Politik gegeben. Deshalb: «Ab dem Herbst braucht es mehr grün.»
Mehr grün, denn mit den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Parlament hätten es grüne Anliegen schwer. Beispielsweise konnten die Grünen ihre Anliegen beim CO2-Gesetz nicht durchsetzen. Eine Abgabe auf Treibstoff oder auf Flugtickets hatte bisher keine Chance.
Weil sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu Ungunsten der Grünen entwickelt hatten, setzen diese nach der Wahlniederlage 2015 auf Initiativen und Referenden. Vier Jahre später zeigt sich: Der Plan ging nicht auf. Keine andere Partei hat an der Urne so oft verloren wie die Grünen.
Was also bringt grüne Politik, wenn sie schlussendlich nicht mehrheitsfähig ist? «Unsere Initiativen haben an der Urne zwar keine Mehrheit gefunden, haben aber Menschen, weit über unsere Wählerschaft hinaus, bewegen können», so Glättli.
Zum Beispiel habe die Atomausstiegsinitiative die Energiestrategie angestossen und die Initiative «Grüne Wirtschaft» habe dazu beigetragen, dass das Parlament jetzt darüber diskutiere, wie die Wirtschaft nachhaltiger mit Plastik umgehen könnte.
Neben dem Klima- und Umweltschutz wollen sich die Grünen ein zweites Standbein aufbauen: die Gleichstellung. In der letzten Legislatur habe man mitgeholfen, Lohnanalysen in Unternehmen durchzusetzen. In der kommenden Legislatur wollen sich die Grünen nun die Gleichstellung von Vätern und Müttern auf die Fahne schreiben. «Einen Elternurlaub, der diesen Namen verdient hat», meint Glättli.
Zwei oder vier Wochen Vaterschaftsurlaub, wie es aktuell diskutiert wird, seien mickrig, finden die Grünen. Es brauche eine flexible Elternzeit und zwar 18 Monate nach dem skandinavischen Vorbild.
Wahlen 2019 als Richtungswahl
Inwiefern die Grünen mit ihren Anliegen durchkommen, hängt auch davon ab, ob die Wahlen im Herbst tatsächlich zu «Klimawahlen» werden, wie die Grünen es voraussagen. Das wiederum hängt davon ab, ob die Klimastreiker in die Sommerferien gehen und wie heiss es in diesen Sommerferien wird. Erst dann zeigt sich, ob Balthasar Glättli den Champagner kalt stellen kann.