In einem Interview mit Zeitungen der Tamedia-Gruppe befürwortet Parteipräsidentin Petra Gössi schärfere Inlandziele bei der CO2-Reduktion und zeigt sich auch offen für einen Klimazuschlag auf Flugtickets. Der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen ist «überrascht und verärgert» über die Aussagen seiner Parteipräsidentin. Es gelte jetzt kühlen Kopf zu bewahren und beim CO2-Gesetz Kurs zu halten, schreibt der freisinnige Energie-Politiker auf Twitter.
Eine Flugticketabgabe sei völlig wirkungslos. Gegenüber SRF will er diese Aussagen nicht wiederholen, verhehlt aber nicht, wie falsch er die Kehrtwende von Petra Gössi findet. Fraktionskollege Peter Schilliger, beim CO2-Gesetz der freisinnige Wortführer, beurteilt Gössis Aussagen etwas milder: «Sie zeigt eine gewisse Offenheit, aber gleichzeitig ist es keine dogmatische Haltung. Wir stehen für die Zielerreichung des Pariser Abkommens ein. Die Frage ist einfach, wie wir das Ganze umsetzen wollen.» Sicher nicht mit einem Alleingang der Schweiz bei Zuschlägen auf Flugtickets, findet der Luzerner Nationalrat.
«Nicht weit weg von 60 Prozent CO2-Reduktion»
Auch die Forderung, mindestens 60 Prozent des CO2-Reduktion im Inland zu erreichen, hält Peter Schilliger für falsch. Hier aber gibt er sich kompromissbereit: «Wir sind vermutlich in der Zielerreichung nicht weit von diesen 60 Prozent weg. Aber entscheidend ist dann, was das Ganze kostet.»
Die freisinnigen Ständeräte in der Umweltkommission unterstützen die Verschärfungen im CO2-Gesetz ausdrücklich. Überhaupt scheint bei wichtigen Parteiexponenten ein klimapolitisches Tauwetter eingesetzt zu haben. Der Zürcher Ständerat Ruedi Noser sitzt sogar im Initiativkomitee der Gletscherinitiative. Die verlangt, dass bis 2050 in der Schweiz kein Öl, kein Gas und keine Kohle mehr verbrannt wird. Eine Forderung, die durchaus mit freisinnigen Prinzipien vereinbar sei, so der frühere WWF-Direktor Hans-Peter Fricker.
Noch in den 80er- und 90er-Jahren sei der Umweltflügel der FDP recht stark gewesen: «Das ist dann im Laufe der Zeit etwas verloren gegangen. Wenn sich das jetzt neu belebt, kann man wirklich wieder sagen, dass das zur freisinnigen Partei gehört.»
CO2-Diskussion hat Fass zum Überlaufen gebracht
Lange habe sich der Frust bei umweltbewussten Parteimitgliedern angestaut, beobachtet FDP-Mitglied Fricker, der in der Energie- und Umweltkommission der Partei mitarbeitet. Die Diskussion um das CO2-Gesetz habe das Fass zum Überlaufen gebracht: «Das Verhalten unserer Fraktion im Nationalrat bei der Beratung zum CO2-Gesetz hat viel Stirnrunzeln ausgelöst.»
Jetzt will sich der freisinnige Ökoflügel straffer organisieren, analog der jungen FDP oder der Frauen-Sektion. Der parteiinterne Druck mag den Schwenker der Parteileitung zum Teil erklären. Möglicherweise spielten aber auch wahltaktische Überlegungen mit, vermuten sowohl Hanspeter Fricker als auch Christian Wasserfallen.
Fragebogen an Parteimitglieder
Nur ziehen sie ganz andere Schlüsse: Während der ehemalige WWF-Mann Fricker seine Partei damit auf dem richtigen Weg sieht, warnt der Berner Nationalrat Wasserfallen vor einer Anbiederung an eine blosse Modeströmung.
Was die FDP-Basis denkt, will die Parteileitung nun herausfinden. In den nächsten Wochen erhalten alle 120'000 Parteimitglieder einen Fragebogen zu umweltpolitischen Zielen. Anschliessend, so Parteipräsidentin Gössi, werde die Partei ihre Umweltpolitik justieren und die Reihen in diesem Bereich wieder schliessen.