Von seinem Büro hoch oben in einem ETH-Hochhaus hat Klimaforscher Reto Knutti einen prächtigen Ausblick: Der Blick geht über die Stadt Zürich und das Limmattal. Ins Auge stechen aber auch viele rauchende Kamine, viele Kräne auf Baustellen und viel Verkehr – alles Quellen des Treibhausgas-Ausstosses.
Knutti hat von hier oben gleichzeitig die Schönheit der Welt und ihre Bedrohung im Blick. Gerade der Blick auf die Stadt mit ihrer Infrastruktur zeige, dass der Einfluss des Einzelnen beim Klimaschutz begrenzt sei, sagt Knutti. «Im Moment ist es nicht möglich, komplett klimaneutral zu leben.» Es gebe schlicht zu viel Infrastruktur, die man nicht beeinflussen könne.
Vieles für den Einzelnen nicht beeinflussbar
Allein die öffentliche Infrastruktur – Strassen, Schulhäuser und Kläranlagen – verbraucht so viele Ressourcen, wie wir bei einer nachhaltigen Lebensweise insgesamt zugute haben. Hinzu kommt der individuelle Ressourcenverbrauch, etwa fürs Heizen, die Mobilität oder die Ernährung.
Deshalb resultiert für die Schweiz ein Verbrauch, den nur drei Erden langfristig decken könnten. Dennoch betont Knutti, dass der Einzelne mit seinem Verhalten viel für den Klimaschutz machen kann.
Vor allem in den Bereichen Heizung, Mobilität und Ernährung sei viel möglich. Ideal wäre, in einem Minergie- oder Ecohaus zu wohnen, auf ein Auto sowie möglichst auf Fleisch und tierische Produkte bei der Ernährung zu verzichten. «Fliegen wäre dann auch keine Option mehr», so Knutti weiter.
Von der Politik kommt... nichts
Bei seinen Ausführungen spricht der Klimawissenschaftler im Konjunktiv. Denn eines der grossen Probleme beim Klimaschutz ist seine Freiwilligkeit. Wer will, kann etwas tun, aber allzu viele tun noch nicht genug. So kann etwa, wer mit dem Flugzeug verreist, den CO2-Ausstoss kompensieren.
Mit dem Geld, das der Reisende freiwillig zahlt, wird in anderen Ländern CO2 eingespart. Doch nur für ein Prozent aller Schweizer Flüge wird das CO2 kompensiert. Für Knutti ist deshalb klar, dass es politische Massnahmen braucht, um die Erderwärmung zu stoppen. Entsprechend hart geht der Klimaphysiker mit der Politik ins Gericht.
«Die Politik hat in den letzten Monaten versagt.» Zwar habe sie ein Klimaziel gemäss dem Klimavertrag von Paris akzeptiert. Doch sie weigere sich, Massnahmen zur Erreichung des gesteckten Ziels zu ergreifen. «So kann das nicht funktionieren», sagt Knutti. Die Politik müsse nun dringend griffigere Massnahmen beschliessen.
Keine Investitionen mehr in dreckige Technik
Das sagt auch Patrick Hofstetter, Klimaexperte bei der Naturschutzorganisation WWF. Zentral seien vor allem jene Investitionen, die sich langfristig auswirkten. «Alle Neuinvestitionen müssen so getätigt werden, dass sie ohne fossile Energien betrieben werden können.» Man dürfe heutzutage kein Geld mehr für «dreckige Technologien» ausgeben.
Zwar sei die Klimaentwicklung bedrohlich, heisst es beim WWF. Doch mit den richtigen politischen Entscheiden und mit technischer Innovation sei die Klimakatastrophe noch abzuwenden. Allerdings könne das nur gelingen, wenn auch die Bürgerinnen und Bürger ihren Teil dazu beitragen.