Ein ungewöhnlich geschlossener Ständerat sendet ein deutliches Zeichen nach Brüssel: Mit ihrer neusten Drohung hat die EU eine Grenze überschritten.
«Noch nicht genügend» seien die Fortschritte in den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Dies hat der Vizepräsident der EU-Kommission in einem gestern öffentlich gewordenen Brief angemahnt. «Zurzeit» müsse die Schweizer Börse deshalb damit rechnen, dass sie von der EU ab nächstem Jahr nicht mehr anerkannt werde.
Drohung aus Brüssel zurückgewiesen
Diese unverhohlene Drohung aus Brüssel mit dem Ziel, die Schweiz beim Rahmenabkommen zum Einknicken zu zwingen, weist der Ständerat mit seinem deutlichen Entscheid zurück. Ein erneuter Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Staaten im Umfang von 1,3 Milliarden Franken (die zweite «Kohäsionsmilliarde») werde nur ausbezahlt, wenn die EU keine «diskriminierenden Massnahmen» gegen die Schweiz ergreife.
Die Nicht-Anerkennung der Schweizer Börse betrachten Bundesrat und Parlament klar als solche Diskriminierung. Mit guten Argumenten: Die Schweizer Börse würde die Anforderungen für eine definitive Anerkennung eigentlich allesamt erfüllen, was die EU im letzten Jahr selber auch so festgestellt hat.
Ständerat stärkt dem Bundesrat den Rücken
Bemerkenswert ist die Geschlossenheit, welche die Kleine Kammer bei ihrem lautstarken Protest an die Adresse von Brüssel an den Tag legt. Einzig der Grüne Robert Cramer aus Genf hat sich dagegengestemmt. Selbst die eigentlich EU-freundliche SP mag keine Gelder mehr in EU-Mitgliedstaaten schicken, wenn Brüssel gegen die Schweiz die Daumenschrauben auspackt.
Der Ständerat stärkt damit dem Bundesrat den Rücken, der morgen oder am Freitag in einer Woche darüber entscheidet, ob er mit der EU ein Rahmenabkommen abschliessen soll. Die Landesregierung tendiert zu einer Absage. Der Entscheid der Kleinen Kammer dürfte ihn darin bestärken.
Entscheid gegen diskriminierende Massnahmen der EU
Das Zusammenstehen des Ständerats ist vor allem aber auch als Zeichen an die Schweizer Bevölkerung zu verstehen. Mit der Ablehnung der «Selbstbestimmungsinitiative» am letzten Sonntag hat die Mehrheit des Stimmvolks die Einhaltung von völkerrechtlichen Verträgen als oberstes Prinzip hochgehalten. Da würde es kaum goutiert, wenn das Parlament diskriminierende Massnahmen der EU gegen die Schweiz nun auch noch finanziell belohnen würde.
Umso mehr, als es sich beim erneuten Kohäsionsangebot an die EU vor allem um eine Geste des guten Willens handelt. Zwar argumentiert Brüssel immer wieder damit, die Zahlung stelle sozusagen den «Eintrittspreis» in den EU-Binnenmarkt dar.
Angesichts der Tatsache, dass die EU im letzten Jahr deutlich mehr Waren in die Schweiz verkauft hat als umgekehrt (das Handelsbilanzdefizit mit der EU hat 2017 über 15 Milliarden Franken betragen), wirkt diese Argumentation doch einigermassen konstruiert. Nach derselben Logik könnten Migros und Coop künftig auch Eintritt von ihrer Kundschaft verlangen, weil diese ja in ihren Läden einkaufen darf.