Insgesamt bis zu 8500 Spezialistinnen und Spezialisten hätten Schweizer Unternehmen letztes Jahr in Ländern ausserhalb der EU rekrutieren dürfen. Diese Höchstzahlen haben Schweizer Firmen aber nur zu etwas mehr als drei Vierteln ausgeschöpft: Vergeben wurden 2021 80 Prozent der 4500 Aufenthaltsbewilligungen und 73 Prozent der 4000 Kurzaufenthaltsbewilligungen, wie das Staatssekretariat für Migration SEM auf Anfrage von Radio SRF mitteilt. Noch tiefer war die Quote im Jahr zuvor.
Wegen Corona sind Reisetätigkeit und Austausch unter den Firmen zurückgegangen.
Die tiefe Ausschöpfung sei eine Folge der Pandemie, erklärt der Präsident der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren VDK, der Urner Mitte-Regierungsrat Urban Camenzind: «Durch die bekannte Coronasituation sind Reisetätigkeit und Austausch unter den Firmen zurückgegangen. Deshalb kamen weniger Drittstaatenangehörige zu uns, um zu arbeiten, und deshalb wurden auch die Kontingente nicht ausgenutzt.»
«Nicht die Zeit, Kontingente zu kürzen»
Um Höchstzahlen und Kontingente wird seit Jahren gerungen. Der Bundesrat hatte die Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative der SVP im Jahr 2014 gekürzt. Wirtschaft und Kantone kämpften danach für eine Erhöhung.
Es fehlen uns gut qualifizierte Leute, die müssen wir von irgendwo herkriegen.
Heute bekräftigt VDK-Präsident Camenzind: Auch jetzt, wo die Unternehmen pandemiebedingt weniger Spezialisten rekrutierten, sei nicht der Zeitpunkt, um die Kontingente wieder zu kürzen. Zu unklar sei derzeit, wie sich die Lage weiterentwickle.
Ausserdem brauche die Schweiz Fachkräfte: «Es fehlen uns gut qualifizierte Leute, die müssen wir von irgendwo herkriegen. Darum ist es notwendig, dass wir solche Arbeitsbewilligungen für Drittstaatenangehörige erteilen dürfen.»
Glarner: «Natürlich wären uns tiefere Kontingente lieber, aber…»
Für eine Kürzung möchte sich derzeit auch die SVP nicht aussprechen. Der Verantwortliche für die Migrationspolitik der Partei, der Aargauer Nationalrat Andreas Glarner, sagt: «Natürlich wären uns tiefere Kontingente immer lieber. Aber der Wirtschaft zuliebe müssen sie vermutlich dort gehalten werden, wo sie jetzt sind. Wir müssen weitere Jahre beobachten.»
Seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative verlangt die Bundesverfassung die Steuerung der Zuwanderung mit Höchstzahlen und Kontingenten. Diskutiert wird derzeit aber eine Erhöhung oder gar teilweise Aufhebung der Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten.
Der Wirtschaft zuliebe müssen die Kontingente vermutlich dort gehalten werden, wo sie jetzt sind.
Eine leichte Lockerung hat der Bundesrat bereits im Herbst auf Anregung der FDP vorgeschlagen. Und letzte Woche sagte Finanzminister Ueli Maurer vor den Medien, die Kontingente für Spezialisten aus Drittstaaten müssten überprüft werden, sprich: erhöht – damit die Schweiz für grosse, international tätige Firmen attraktiv bleibe.
Allerdings, so Maurer in der «NZZ am Sonntag», müsste eine Erhöhung auf hoch qualifizierte Berufe eingeschränkt werden, weil es sonst zu viel Zuwanderung gebe «in Berufen, in denen wir sie weniger brauchen».