Das Universitätsspital Zürich spricht von einem Meilenstein in der Unternehmensgeschichte. Am Flughafen Zürich hat das Spital am Montag eine ambulante Klinik eröffnet, in der rund 1000 Patientinnen und Patienten am Tag behandelt werden können. Über 360 Ärzte, Spezialistinnen und Pflegekräfte arbeiten am neuen Standort. Dieser erstreckt sich über sechs Stockwerke.
Zum Angebot des neuen Ambulatoriums gehören eine Tagesklinik für Krebspatienten, eine Dialysestation oder auch Permanencen für Kinder und Erwachsene, die rund um die Uhr geöffnet haben. Das Angebot sei breit, betont Katja Bruni, die beim Universitätsspital Zürich für alle ambulanten Mitarbeitenden verantwortlich ist. «Unsere Patienten können so von mehreren Spezialisten, die räumlich nahe nebeneinander arbeiten, untersucht werden.» Dies sei gerade bei der Terminkoordination wichtig. Ein weiterer Vorteil sei, dass der neue Standort eine moderne Infrastruktur aufweise.
Entscheidend bei der Wahl des neuen Standorts im «Circle» seien mehrere Faktoren gewesen, sagt Bruni. Auf der einen Seite sei wegen der Bauarbeiten am Hauptsitz eine Ausweichfläche nötig und auf der anderen Seite berge die Region auch enormes Potenzial. Das Gebiet am Flughafen sei verkehrstechnisch gut erschlossen, zudem wachse die Region Glatttal stetig.
Die Strategie des Universitätsspitals ist klar: Nicht die Bevölkerung soll die Klinik aufsuchen, die Klinik muss zu den Menschen. Katja Bruni betont, dass Patientinnen und Patienten Behandlungen in der Nähe des Wohn- oder Arbeitsorts suchten. Es sei deshalb ein wichtiges Ziel, einen Standort in der Nähe der Kundschaft zu etablieren.
«Die Nähe zur Bevölkerung liegt im Trend»
Die gleichen Ziele wie das Universitätsspital verfolgt das Stadtspital Triemli und Waid. «Wir haben in der Angebots-Strategie festgelegt, dass wir mit ambulanten Leistungen näher zu den Patienten gehen wollen», sagt Spital-Direktor André Zemp. Die Wahl für einen neuen Standort fiel beim Stadtspital deshalb auf die Europaallee gleich neben dem Zürcher Hauptbahnhof.
In rund einem Jahr soll am Gustav-Gull-Platz das ambulante Zentrum des Stadtspitals aufgehen. Das Stadtparlament hatte letzte Woche den Mietvertrag mit den SBB und den Kredit für die Ausbauarbeiten ohne Gegenstimme bewilligt. Die Stadt bezahlt in Zukunft jährlich rund 1.7 Millionen Franken Miete, die Ausbauarbeiten kosten über 13 Millionen Franken.
Die Zusage des Stadtparlaments habe ihn nicht erstaunt, sagt Zemp. Denn er ist überzeugt: «Die Nähe zur Bevölkerung ist im ambulanten Geschäft ein Trend, das sieht man auch in anderen Städten.» In Aarau betreibt das Kantonsspital zum Beispiel im Bahnhof ein ambulantes Zentrum. Die Kundennähe sei aber nicht der einzige Vorteil, so Zemp. «Durch die Trennung von ambulantem und stationärem Geschäft ist es uns möglich, die Behandlungskosten zu senken.»
Grosse Sorge bei den Hausärzten
Diese Expansionsstrategie der Spitäler bereitet den Zürcher Hausärzten Sorge. Josef Widler ist Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft und vertritt rund 6000 Hausärzte. Er spricht von einer schlechten Entwicklung. Die Stadt Zürich zum Beispiel investiere Millionen in die Klinik an der Europaallee – mit Steuergeldern. «Man weiss, dass Ambulatorien defizitär arbeiten», so Widler. «Man stützt sie also, obwohl sie teurere Medizin machen als frei praktizierende Ärzte.»
Für Widler ist klar: Die Spitäler hätten nicht den Auftrag, neue Zentren in der Nähe der Bevölkerung aufzubauen. «Sie müssen lediglich Behandlungen, die früher stationär angeboten wurden, nun ambulant durchzuführen. Und weil Spitäler heute den Auftrag haben zu rentieren, verhalten sie sich am Markt wie ein normaler Teilnehmer – teilweise mit Steuergeld im Rücken.» Dies sei gegenüber den Hausärzten nicht fair.
Verstärkte Zusammenarbeit statt Konkurrenz
Nicht einverstanden mit dieser Argumentation ist André Zemp vom Stadtspital Triemli und Waid – im Gegenteil. Hausärzte würden von den Ambulatorien gar profitieren, ist er überzeugt. «Ambulante Zentren betreiben eine spezialisierte Medizin, keine Hausarztmedizin.» Die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und den Ambulatorien könne durch die Eröffnung neuer Zentren gestärkt werden.