Kostenbremse-Initiative
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Was kann die explodierenden Krankenkassen-Prämien stoppen?
Die Kostenbremse-Initiative der «Mitte»-Partei kommt im Nationalrat nicht an – ebenso wenig der Gegenvorschlag.
Der Nationalrat berät heute Morgen die Initiative der «Mitte»-Partei für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen. Die Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» soll Bundesrat und Kantone zu Kostenbegrenzungsmassnahmen verpflichten, wenn das Kostenwachstum pro versicherte Person zwei Jahre nach Annahme der Initiative um einen Fünftel über der Nominallohnentwicklung liegt.
Kostenbremse oder Kostenziele?
Dank Initiative sollen sich die Kosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entsprechend der Gesamtwirtschaft und Durchschnittslöhnen entwickeln und die Prämien bezahlbar bleiben. Der Bundesrat beurteilt die Koppelung des Kostenwachstums an die Lohnentwicklung als zu «starr» und sieht in einem indirekten Gegenvorschlag Kostenziele in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vor.
Kostenbremse-Initiative und Gegenvorschläge – darum geht es
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Darum geht es: Die Gesundheitskosten sind in den vergangenen Jahren im Schnitt jeweils zwischen vier und fünf Prozent gestiegen – was sich in steigenden Krankenkassenprämien zeigt. Die Mitte-Partei will diese Kosten ihrer Initiative bremsen: Wenn diese deutlich stärker steigen als die Löhne, müssen Bundesrat und Kantone konkrete Massnahmen beschliessen. Diese müssten im Folgejahr greifen, damit – so das Ziel der Initiative - die Prämien bezahlbar bleiben.
Das ist umstritten: Der Bundesrat teilt das Anliegen, ist aber gegen diesen Vorschlag. Er sei zu starr und könnte zu Rationierungen führen. Deshalb legt der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag vor – mit flexibleren Kostenzielen (ursprünglich Teil des zweiten Kostendämpfungs-Pakets). Darin schlägt der Bundesrat ein jährliches, maximales Ziel für die Kosten in der Grundversicherung vor und teilt dieses auf die Kantone auf. Diese wiederum schlüsseln es je Bereich auf – sodass für das Spital, die Arztpraxen, Labors, Physiotherapie und so weiter – maximale Kostenziele stehen. Werden diese überstiegen, sollen alle Beteiligten prüfen, wann welche Massnahmen sinnvoll wären.
Das ist der aktuelle Stand: Der Nationalrat unterstützt den indirekten Gegenvorschlag mit den Kostenzielen. Demnach soll der Bundesrat nach Anhörung aller Akteure im Gesundheitswesen Kosten- und Qualitätsziele festlegen. Diese würden für die Leistungen der jeweils nächsten vier Jahre gelten. Die Kantone können sich an diesen Vorgaben orientieren und selber Ziele festlegen. Weitere Massnahmen zur Kostendämpfung sind Tarif-Eingriffe, insbesondere bei Ärztinnen und Ärzten sowie bei den Labors. Sie sollen mit den Krankenversicherern vertraglich günstigere Tarife beschliessen. Die Kostenbremse-Initiative empfiehlt der Nationalrat deutlich zur Ablehnung. Nach dem National- hat sich nun auch der Ständerat für den Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative ausgesprochen. Über die Volksinitiative selbst entschied der Rat noch nicht.
Gegen den bundesrätlichen Vorschlag liegt ein Alternativkonzept der Gesundheitskommission des Nationalrats vor. Sie beantragt konkrete Massnahmen vor allem bei Tarifen und Laboranalysen.
Christian Lohr (Die Mitte/TG) betonte im Namen seiner Fraktion, dass die steigenden Prämien für immer mehr Menschen zu Schuldenfallen würden. Das Volksbegehren fordere keine Rationierung der medizinisch notwendigen Leistungen, sondern wolle zu aktivem Denken im Gesundheitswesen anregen.
Von einem Globalbudget ist keine Rede. Wer das behauptet, betreibt bewusst Schwarzmalerei.
«Von einem Globalbudget ist keine Rede. Wer das behauptet, betreibt bewusst Schwarzmalerei und zeigt, dass er nicht reagieren will», sagte Lohr. Das Schweizer Gesundheitssystem sei sehr gut, müsse aber finanzierbar bleiben.
SP: Gegenvorschlag weiterentwickeln
Die Löhne seien in den letzten Jahren nur marginal gestiegen, die Kostensteigerung im Gesundheitswesen sei real, stellte Barbara Gysi (SG) für die SP-Fraktion fest. 16 Prozent der Menschen seien im vergangenen Jahr aus wirtschaftlichen Gründen nicht zum Arzt gegangen. Gleichzeitig seien 20 Prozent der Eingriffe unnötig erfolgt.
«Das muss uns sehr zu denken geben und so kann es nicht weitergehen», sagt Gysi. Sie verwies auf die «Prämien-Entlastungs-Initiative» der SP, die in der dritten Sessionswoche zur Debatte steht und appellierte, den Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative weiterzuentwickeln.
FDP: «Es droht ein Bürokratie-Monster»
Initiative wie auch Gegenvorschlag des Bundesrates seien staats-, gesundheits- und ordnungspolitisch abzulehnen, erklärte Regine Sauter (FDP/ZH) für die FDP-Fraktion. Das Gesundheitswesen sei Sache der Kantone und dort müssten die Kostenziele umgesetzt werden: «Es droht ein Bürokratie-Monster mit einem riesigen Aufwand für alle Beteiligten», warnte Sauter.
Noch schlimmer als die Kostenbremse-Initiative sei der Gegenvorschlag des Bundesrats, der bereits zeige, in welche Richtung die Umsetzung der Initiative gehen würde – nämlich in Richtung eines staatlich gelenkten Gesundheitswesens.
SVP: Initiative kaum vereinbar mit System
Der starre Mechanismus der Initiative mit der Koppelung an die Wirtschafts- und Lohnentwicklung greife zu kurz und sei kaum vereinbar mit dem Schweizer Gesundheitssystem, erklärte Therese Schläpfer (ZH) für die SVP-Fraktion. Das Kostenwachstum müsse mit anderen Massnahmen, aber nicht mit Zielvorgaben bekämpft werden, weshalb auch der Gegenvorschlag des Bundesrats nicht tauge. Grösstes Problem sei die Mengenausweitung.
Nach knapp fünf Stunden Debatte beendete der Nationalrat die Debatte fürs Erste. Die Beratungen werden am Mittwochmorgen fortgesetzt.
Mehreit für Gegenvorschlag zeichnet sich ab
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Während fast fünf Stunden hat die Grosse Kammer über die Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)» der Mitte-Partei sowie über einen indirekten Gegenvorschlag dazu diskutiert. Der Bundesrat hatte gegen das stetige Kosten- und Prämienwachstum verschiedene Änderungen im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) vorgeschlagen. Die vorberatende Nationalratskommission modifizierte den Alternativvorschlag zur Initiative im Vorfeld der Debatte.
Obwohl der Nationalrat erst am Mittwoch über die Vorlage im Gesamten abstimmen wird, zeichnet sich ab, dass er sich grundsätzlich dem Gegenvorschlag des Bundesrats anschliessen wird. Dieser soll künftig nach Anhörung aller Akteure im Gesundheitswesen Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen für die kommenden vier Jahre festlegen. Der Entscheid für diese gesetzlich festgeschriebene Kostenzielvorgaben fiel mit 94 zu 91 Stimmen bei einer Enthaltung.
Damit erzielt die Mitte-Fraktion einen Teilerfolg – sofern der Nationalrat am Mittwoch den Gegenvorschlag auch in der Gesamtabstimmung annehmen sollte. Die Kostenbremse-Initiative dagegen dürfte im Rat chancenlos sein.
Heute Morgen, 20.05.2022, 06.30 Uhr
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srf/brut; fulu