Die Nachricht im letzten Herbst war erfreulich: die Krankenkassen-Prämien sinken nach vielen Jahren erstmals wieder. Schon die Jahre zuvor war der Anstieg moderat.
Prämienerhöhung im zweistelligen Bereich?
Jetzt aber deuten einige Indizien darauf hin, dass die Prämien nächstes Jahr massiv steigen könnten. Die Direktorin des Krankenkassen-Verbands Santésuisse, Verena Nold, sieht schwarz: «Wenn man nichts tut, drohen Prämienerhöhungen im zweistelligen Bereich.» Eine durchschnittliche Prämienerhöhung von über 10 Prozent; das gab es das letzte Mal vor 20 Jahren.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will zwar zu den erwarteten Prämien direkt nichts sagen, bestätigt aber grundsätzlich einen möglichen Anstieg der Prämien. Das BAG schreibt der Tagesschau: «Die Kosten für das Jahr 2021 lagen höher als die Schätzungen der Versicherer. Wenn die Kosten weiter steigen, ist auch ein entsprechender Anstieg der Prämien zu erwarten.»
Kosten wurden zu tief geschätzt
In der Corona-Pandemie wurden viele Operationen verschoben, deshalb könnte jetzt ein gewisser Nachholeffekt auftreten. Zudem haben nicht wenige Patientinnen und Patienten die Sprechstunden oder Kontrollen ausgelassen, was nun ebenfalls zu höheren Kosten in diesem Jahr führen könnte. Gerade viele junge Erwachsene wenden sich erst jetzt an Psychologinnen oder Ärzte, um sich mit der psychischen Belastung der Corona-Pandemie auseinanderzusetzen.
Solche und andere Faktoren dürften dazu geführt haben, dass die Krankenkassen die Kosten für 2021 zu tief geschätzt haben. Das beschäftigt auch die Mitglieder der nationalrätlichen Gesundheitskommission, etwa SP-Gesundheitspolitikerin Barbara Gysi: «Es ist leider zu befürchten, dass die Prämien auf nächstes Jahr sehr stark ansteigen werden, weil die Kosten gestiegen sind.»
Für den Mitte-Politiker und Verwaltungsrats-Präsidenten der Visana-Krankenkasse, Lorenz Hess, sind die Gründe für den erwarteten Anstieg klar: «Zum einen gab es eine Unsicherheit, wie sich das erste Corona-Jahr auswirkt. Da haben wir zuerst gedacht, es gäbe weniger Kosten, am Schluss hat man aber gesehen, dass der Anstieg gleich hoch war wie in anderen Jahren. Dasselbe passierte im zweiten Corona-Jahr.»
Rezepte sind gefragt
Auch der Präsident der Gesundheitskommission, SVP-Nationalrat Albert Rösti, sieht es ähnlich: «Der Grund ist sicher, dass man in den Jahren 2020 und 2021 die Prämien kaum erhöht hat. Einerseits, weil man glaubte, es koste tatsächlich weniger, weil viele Eingriffe zurückgestellt wurden. Anderseits hat man auch gewisse Reserven aufgebraucht. Aber jetzt zeigt sich, dass das Kostenwachstum mindestens gleich stark verlaufen ist wie in den Vorjahren.»
Die Gesundheitskommission beschäftigte sich am Donnerstag mit der Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei und der Prämien-Entlastungsinitiative der SP. Für die aktuelle Situation wären allerdings Rezepte gefragt, die sehr schnell wirken. Santésuisse-Direktorin Nold: «Man könnte zum Beispiel die Labor-Preise senken, wir zahlen bis zu dreimal so viel wie im Ausland. Oder man könnte die Medikamentenpreise auf europäisches Niveau senken.»