Die Krankenkassenprämien steigen in diesem Jahr nur leicht. Kommt es dafür in den nächsten Jahren zur Prämienexplosion? Das hänge von der Entwicklung der Gesundheitskosten ab, sagt Gesundheitsminister Alain Berset.
SRF News: Herr Bundesrat, bezahlen Sie eigentlich auch Krankenkassen-Prämien wie jeder andere Bürger?
Alain Berset: Natürlich.
Dann ärgern Sie sich auch jedes Jahr, wenn sie wieder steigen?
Klar. Aber ich muss auch sagen: Drei Jahre mit sehr moderaten Prämien-Anstiegen – das ist eine gute Sache.
0.5 Prozent Prämiensteigerung für nächstes Jahr – das ist eigentlich eine gute Nachricht. Aber wir würden gerne mal hören, dass die Prämien sinken.
Sie werden nicht sinken, da muss man ehrlich sein. Und allen, die versprochen haben, dass sie sinken, muss ich sagen: Das funktioniert nicht. Wir werden immer älter, und ältere Menschen benötigen mehr medizinische Leistungen. Wir wollen als Patientinnen und Patienten auch von den Innovationen im Medizinbereich profitieren. Das alles erklärt, warum die Prämien weiter ansteigen werden. Aber der Anstieg muss moderat sein, er muss erklärbar und transparent sein. Und alle anderen Anstiege wegen Doppelspurigkeiten, unnötigen Eingriffen und so weiter muss man vermeiden. Wir müssen einen guten Medizin-Zugang für alle gewährleisten, aber zu einem bezahlbaren Preis.
Die Prämien sollen für die Leute bezahlbar bleiben, aber natürlich muss man auch die Kosten decken können. Das ist eine nicht ganz einfache Arbeit.
Hat die Coronakrise einen positiven oder einen negativen Einfluss auf die Prämienentwicklung?
Wenn man das Jahr 2020 anschaut, dann sieht man, dass es weder einen grossen Anstieg noch eine Senkung der Kosten gibt. Es hat sich über die ersten sechs Monate des Jahres einigermassen ausgeglichen. Das gilt übrigens auch für die Spitäler.
Sie ermutigen die Krankenversicherer, ihre Prämien möglichst knapp zu kalkulieren. Da lese ich den Vorwurf heraus, dass die Versicherer eher zu grosszügig kalkulieren?
Sie schätzen ab und zu die Kosten und damit auch die Höhe der Prämien zu grosszügig. Wir ziehen das runter, wo es möglich ist, denn die Prämien sollen für die Leute bezahlbar bleiben, aber natürlich muss man auch die Kosten decken können. Das ist eine nicht ganz einfache Arbeit.
Elf Milliarden Franken betragen mittlerweile die Reserven der Krankenkassen. Allein im letzten Jahr ein Plus von einer Milliarde. Das ist eigentlich Geld, das den Versicherten zusteht.
Absolut, und das muss auch so bleiben.
Aber es geht nicht zurück zu den Versicherten.
Gut, man braucht Reserven, damit man Schwankungen absorbieren kann. Diese elf Milliarden Franken Reserven entsprechen den Ausgaben der Krankenkassen für vier Monate. Konkret: Wenn man die Prämien im Januar zahlt, dann werden sozusagen die Rechnungen vom April damit bezahlt. Diese vier Monate sind zu viel, man sollte das reduzieren.
Ob die Prämien einen Sprung machen, hängt davon ab, was wir tun, um die Kosten im Griff zu behalten.
Rückzahlungen sind freiwillig. Sie haben jetzt eine Vorlage in die Vernehmlassung gegeben, da bleibt die Rückzahlung der Reserven weiter freiwillig. Da machen doch die Kassen nichts.
Eine Verordnung muss das Gesetz respektieren. Wenn wir da etwas ändern wollen, dann müssen wir das Gesetz anpassen, und dafür braucht es eine Diskussion im Parlament.
Wenn die Prämien einige Jahre nur wenig steigen, gibt es meist irgendwann einen Sprung nach oben. Müssen wir damit nächstes oder übernächstes Jahr rechnen?
Nein, ich hoffe nicht. Das kommt darauf an, was wir tun, um die Kosten im Griff zu behalten. In den letzten Jahren hat der Bundesrat sehr viel gemacht, bei den Medikamentenpreisen und der Tarmed-Revision. Für die nächsten Schritte braucht es die Mitarbeit des Parlaments.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.