Thomas Süssli ist überrascht worden vom Angriff der russischen Truppen auf die Ukraine. Wie er gegenüber der Samstagsrundschau von Radio SRF erklärt, sei er an jenem 24. Februar um 4 Uhr morgens erwacht und habe vom Angriff erfahren. Die Nachrichtendienste hätten schon länger davor gewarnt, den genauen Zeitpunkt und die Art des Angriffs habe man aber nicht vorhersehen können.
Ich bin häufig auf Telegram oder Twitter.
Die aktuelle Bedrohungslage verfolge man über diverse Quellen, so Süssli. Zu den wichtigsten gehörten der militärische Nachrichtendienst sowie der Nachrichtendienst des Bundes, aber auch die Nationale Alarmzentrale. Neben den offiziellen Quellen informiere man sich aber auch über Social Media über das Geschehen: «Ich bin häufig auf Telegram oder Twitter. Dort muss man jedoch vorsichtig sein, alle Informationen sind gefärbt.»
Die stärkste Bedrohung liegt im Cyberraum
Das grösste Risiko für die Schweiz liege zurzeit nicht in einer militärischen Bedrohung, sondern im Cyberraum. Hier habe man die Bereitschaft deutlich erhöht, so Süssli. Man habe aber auch festgestellt, dass es zwar deutlich mehr Aktivitäten gebe, aber keine unmittelbaren Angriffe gegen die Schweiz.
Man wisse, dass es in der Ukraine vor den eigentlichen Kampfhandlungen Cyberangriffe gegeben habe, so seien in der Ukraine mittels Malware Daten gelöscht worden. Dies, um die ukrainische Reaktion zu verlangsamen. Es müsse aber auch gezielte Cyberattacken gegen Infrastrukturen gegeben haben, diese seien dann aber durch physische Angriffe am Boden überschattet worden. Mittlerweile gebe es solche Angriffe aber auch gegen Russland – Stichwort Hackergruppe «Anonymous».
Wie lange würde die Schweizer Armee durchhalten?
Verschiedentlich hat Thomas Süssli schon erklärt, im Fall eines Angriffs könnte die Schweizer Luftwaffe rund vier Wochen standhalten. Der Armeechef erläutert dazu, dass man mit vier Kampfflugzeugen gleichzeitig in der Luft zwar eine hohe Anfangsleistung erbringen könne, dann aber schnell entweder auf Partner zurückgreifen müsse oder aber die Luftverteidigung so nicht mehr aufrechterhalten könne.
Die Schweizer Armee hat nicht genügend Tiefe, um die ganze Schweiz über längere Zeit zu verteidigen.
Es sei zudem ein Fakt, dass die Armee mit der «Armee 21» stark verkleinert worden sei – auf etwa ein Drittel. Daraufhin sei sie noch weiter verkleinert und das Budget reduziert worden, so Süssli. «Die Schweizer Armee kann immer noch verteidigen, sie hat die Kompetenz noch – aber nicht in einer genügenden Tiefe, um die ganze Schweiz über längere Zeit zu verteidigen.» Und: «Jetzt, wo sich die weltpolitische Lage ändert, ist es Zeit zum Umdenken.»
Kein Warten auf das Kampfjet-Referendum
Bezüglich dem FA-35 spricht Süssli in der Samstagsrundschau von einem «Glücksfall». Es sei nicht nur der beste, sondern auch der günstigste Kampfjet in der Auswahl gewesen, so der Armeechef. Aus militärischer Sicht wäre es sinnvoll, mit der Bestellung auch nicht auf eine allfällige erneute Volksabstimmung zu warten, die erst 2024 stattfinden könnte, so Süssli. Die Offerte der USA sei nur bis Ende März 2023 gültig, nachher könnte sich erstens der Preis ändern – zweitens könnten andere Länder bevorzugt werden, die sich für den FA-35 entschieden haben, wie Deutschland oder Finnland.
Bezüglich der Forderung nach mehr Geld für die Armee hält sich Thomas Süssli zurück. Man habe bereits einen Beschaffungsplan für die nächsten 12 Jahre und wisse, welche Fähigkeiten man sich aneignen und vertiefen müsse. «Mit mehr Mitteln könnte man den Prozess aber beschleunigen und die Schweizer Bevölkerung früher und besser schützen.»