«Ich hatte wirklich das Gefühl, es wiederholt sich. Genau so, wie es damals passiert ist». Das sagt Jana Ručková, schweizerisch-tschechische Doppelbürgerin und Dolmetscherin – doch der Satz könnte von tausenden anderen Menschen stammen in der Schweiz.
Viele verfolgen fassungslos, was in der Ukraine geschieht. Doch manche verspüren zusätzlich eine ganz persönliche, direkte Betroffenheit: Menschen, die Kriegserfahrungen gemacht haben, in den 1990er-Jahren im Balkan oder anderen Krisenregionen. Und gerade auch jene Menschen, die selbst einen Einmarsch von russischen oder sowjetischen Truppen in ihre Heimatländer erlebt haben.
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erzählen
1956 marschierten sowjetische Truppen in Ungarn ein. Das Land wollte sich aus dem Einflussbereich der Sowjetunion lösen.
1968 geschah Ähnliches in der Tschechoslowakei: Die Truppen des Warschauer Paktes – angeführt von der Sowjetunion – besetzten das ganze Land in einer einzigen Nacht, vom 20. auf den 21. August. Nach beiden Invasionen nahm die Schweiz über 10'000 Flüchtlinge auf. Viele leben noch heute hier:
Laszlo Lukovics, pensionierter Lehrer, geboren in Ungarn
«Aus diesem Grund weiss ich, was Angst vor dem Tod und was Angst um die Existenz einer Familie ist. Aus diesem Grund bin ich als Flüchtling in meiner zweiten Heimat gelandet.»
Jana Ručková, Dolmetscherin, geboren in der Tschechoslowakei
«Ich hatte wirklich das Gefühl, es wiederholt sich. Genau so, wie es damals passiert ist. Es sind nur andere Figuren da. Es sind andere Politiker, andere Menschen, ein anderes Land. Aber ich kann sehr, sehr nachempfinden, wie es den Ukrainern jetzt geht.
Ich erinnere mich an den Lärm der Panzer, die durch die Strassen rollten. Wir wussten nicht, wieso, warum. Wir sind alle zusammen auf den Dorfplatz gegangen und der war voller Panzer, voll Militär. Die Soldaten sassen auf den Panzern, manche haben uns angeschaut, manche haben uns ignoriert. Wir sind auf die Panzer geklettert und haben mit den Soldaten diskutiert, was sie eigentlich hier suchen, warum sie hier sind.»
Lubosch Held Hrdina, Theaterleiter und Regisseur, geboren in der Tschechoslowakei
«Als 1968 die russischen Soldaten die Tschechoslowakei überfallen haben, war ich vier Jahre alt. Ich erinnere mich ganz genau an das Gefühl, das ich damals empfunden habe und auch an die Stimmung, die auf dem Land und auch in Prag geherrscht hat. Es war eine wahnsinnige Trauer, eine wahnsinnige Wut. Viele haben geweint, alle waren wahnsinnig traurig.»
Jan Sobotkiewicz, pensionierter Hochschulsportlehrer, geboren in der Tschechoslowakei
«Ich sehe Sachen, die sich wirklich wiederholen. 1968 kamen die Russen als ‹brüderliche Hilfe› nach Prag. Das sagt Putin jetzt in der Ukraine auch, dass man den ‹Brüdern dort helfen werde›. Es hat sich also nicht viel geändert. Putin ist ein alter KGB-Beamter. Die Methoden, die er praktiziert, sprechen für sich.»