Der Kanton Bern steht in der Kritik: Die Zustände in den bernischen Rückkehrzentren Aarwangen, Biel und Gampelen seien besorgniserregend. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), der am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Besondere Sorgen macht der Kommission die Lage der Kinder, Jugendlichen und Familien. Die Bedingungen seien «nicht menschenwürdig». Zum Beispiel sei die fehlende Privatsphäre ein Problem: Es gäbe 4-köpfige Familien, die auf knapp 15 Quadratmetern wohnen, schlafen, essen, spielen.
Zudem fehle kindergerechte Infrastruktur, die Kommission sieht sogar die UNO-Kinderrechtskonvention verletzt. Ein weiterer Kritikpunkt: Die staatliche Nothilfe von 8 Franken für eine Einzelperson sei zu tief.
Bern sagt: Wir halten uns nur ans Gesetz
Die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID) ist Auftraggeberin des Berichts der NKVF. Sie hat die Kommission ersucht, die Bedingungen in den Rückkehrzentren zu überprüfen. Nun muss sich der Kanton Bern dieser Kritik stellen.
Ganzer Bericht und Stellungnahme zum Download
Bei einigen Kritikpunkten zeigt sich die SID einsichtig: «Die SID (...) nimmt die Empfehlungen zum Anlass – wo sinnvoll und mit dem gesetzlichen Auftrag vereinbar – Optimierungen vorzunehmen.» Gleichzeitig wird in der Stellungnahme des Kantons Bern betont, dass man nicht von den gesetzlichen Vorgaben abweichen dürfe, die von Stimmvolk und Parlament so festgelegt worden sind. Kurz gesagt: Gesetz ist Gesetz, der Kanton Bern macht nur, was ihm von Bund und Kanton vorgeschrieben wird.
Es gibt ein enges gesetzliches Korsett, das vom Souverän festgelegt wurde. Wenn man das nicht möchte, kann man das versuchen, politisch zu ändern.
Für Frauen und Familien gibt es bald Verbesserungen – ein eigenes Zentrum nur für sie in Worb. Ansonsten gäbe es aber nicht viel Spielraum, Verbesserungen vorzunehmen.
Abgewiesene Asylsuchende müssten ausreisen und sind somit freiwillig in der Schweiz. «Diese Rückkehrzentren sind dazu da, damit die Menschen nach einigen Monaten ins Heimatland zurückgehen. Das sind keine Luxushotels», sagt Müller.
Die Ausgestaltung der Nothilfe, also zum Beispiel die Form der Unterbringung oder Unterstützung von abgewiesenen Asylsuchenden, ist kantonal geregelt. Insofern besteht Spielraum: Kantone bestimmen über ihre Sozialhilfegesetze, können diese verändern, aktualisieren, neu gestalten.
Schaffhausen und Basel-Stadt sind weniger strikt
Im Kanton Basel-Stadt gibt es keine Rückkehrzentren, bestätigt Renata Gäumann, Asyl- und Flüchtlingskoordinatorin vom Kanton Basel-Stadt. Nothilfe-Beziehende übernachten in den Notschlafstellen. Familien mit Kindern, die Nothilfe beziehen, werden in Wohnungen untergebracht: «Besonders verletzliche Personen bedürfen eines besonderen Schutzes. Das Übernachten in der Notschlafstelle wäre nicht angebracht», so Gäumann. «Es war ein politischer Entscheid, dass Menschen aus dem Asylbereich – auch vulnerable Nothilfebeziehende – in Wohnungen leben sollen und ein Minimum an Privatsphäre erhalten.»
Die Nothilfe beläuft sich in Basel-Stadt auf 12 Franken pro Tag. «Es war der Regierung ein Anliegen, Nothilfe so human wie möglich auszugestalten. Wir versuchen, den Beziehenden ein einigermassen würdiges Leben zu ermöglichen.»
In Schaffhausen werden abgewiesene Asylsuchende grundsätzlich in Wohnungen untergebracht. Das sagt Bernhard Roth, Asylkoordinator des Kantons Schaffhausen. Zudem dürfen die Menschen an Beschäftigungsprogrammen teilnehmen. «Wir haben gemerkt, dass die Tagesstruktur hilft, die Kosten tief zu halten. Die Menschen bleiben gesünder, als ohne Struktur.»