- Schweizer Bio-Küken erhalten einem Gentech-Wirkstoff gespritzt. Die Impfung schützt vor einer Geflügelseuche.
- Gemäss den Richtlinien von Bio Suisse müssen aber auch Medikamente und Impfstoffe gentechfrei sein.
- Die interne Geschäftsprüfungskommission von Bio Suisse kritisiert den Einsatz. Der Vorstand habe seine Kompetenzen überschritten.
Der Verzicht auf Gentechnik gehört für Bio Suisse zu den «Grundsätzen des Biolandbaus». Doch Recherchen der «Rundschau» zeigen, der Verband hält seine eigenen Regeln nicht immer ein: Schweizer Bio-Küken erhalten praktisch flächendeckend einen gentechnisch veränderten Impfstoff gespritzt. Das Hightech-Mittel schützt vor einem hochansteckenden Virus. Gemäss Bio-Suisse-Richtlinien müssten aber auch Medikamente und Impfstoffe gentechfrei sein.
«Wir befanden uns in einem extremen Dilemma. Wir haben gesehen, dass tausende Tiere gestorben sind. Deshalb haben wir uns dann ganz klar für das Tierwohl – und für die Impfung entschieden.» So begründet Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli die befristete Zulassung in der «Rundschau». Brändli und der Vorstand von Bio Suisse werden aus den eigenen Reihen scharf kritisiert.
Kompetenzen überschritten
Gemäss Bericht der internen Geschäftsprüfungskommission (GPK) hat der Vorstand seine Kompetenzen überschritten: «Aus Sicht der GPK hatte der Vorstand kein Recht, diesen Entscheid zu treffen», so das Fazit. Urs Brändli sagt zum kritischen Bericht seiner eigenen Kontrolleure: «Leider gibt es in den Richtlinien keine Angaben zu Notfällen. Das war ein Notfall, wir mussten sofort handeln.» Die Geflügelseuche Gumboro habe sich immer schneller verbreitet. Man habe den ordentlichen Weg nicht mehr einhalten können.
Martina Munz, Präsidentin der Schweizer Allianz Gentechfrei, ist enttäuscht: «Bio Suisse stellt die Glaubwürdigkeit des Labels ein Stück weit infrage. Man wollte das unter dem Deckel halten», sagt die SP-Nationalrätin. Auch die Geschäftsprüfer von Bio Suisse hinterfragen die Informationspolitik: Sie schreiben in ihrem Bericht, der Vorstand habe aufgrund des «heiklen Themas» den Entscheid «bewusst» nicht breit kommuniziert.
Auch die von Coop und Migros verkauften Bio-Poulets werden mit dem gentechnisch veränderten Impfstoff behandelt. Die Rundschau hat die beiden grössten Detailhändler mit der Recherche konfrontiert. Coop und Migros schreiben der Rundschau, ihre Produzenten würden sich an die Richtlinien von Bio Suisse halten. Migros ergänzt, für Anpassungen der Richtlinien sei Bio Suisse zuständig.
Bio Suisse wehrt sich
«Knospenprodukte sind und bleiben gentechfrei», wehrt sich Präsident Brändli in der «Rundschau». Das gelte auch für die geimpften Hühner. Er verteidigt deshalb den Entscheid, die Konsumentinnen und Konsumenten nicht informiert zu haben. Laut der Tierärztin und Geflügelexpertin Karin Kreyenbühl vermehrt sich der gentechnisch veränderte Impfstoff in den Ansätzen der Hühnerfedern.
Gemäss Kreyenbühl lässt er sich dort auch bis zur Schlachtung in sehr geringen Mengen nachweisen. Die Tiere werden danach gebrüht und gerupft. Sollten sich nachher immer noch Spuren von gentechnisch verändertem Material auf den Poulets befinden, würden diese beim Kochen zerfallen, so Kreyenbühl. Im konsumfertigen Fleisch sollten sich daher keine Rückstände mehr befinden.
Weil die befristete Zulassung des Gentech-Impfstoffes von der Geschäftsprüfungskommission als unzulässig betrachtet wird, muss der Vorstand das umstrittene Geschäft nun der Delegiertenversammlung von Bio Suisse vorlegen. Die Versammlung findet in einer Woche in Olten statt.